Teile diesen Beitrag  

Corinna Weber ist 1976 geboren und lebt mit ihrer Familie im Odenwald. Ehemann Thorsten (auch „Vadder“ genannt, passend zur „Muddi“), die große Tochter Manuela, genannt Ela, „Löwenbaby“ Svenja, die seit ihrer Geburt 2012 körperlich schwer behindert ist und im Rollstuhl sitzt und nicht zuletzt der kleine Engel Ronja „Krawalli“ sind die Hauptakteure in „Muddis Welt“, von der uns Corinna in ihrer monatlichen Kolumne erzählt. Sie teilt darin mit uns mit ganzem Herzen ihre Gefühle, Erfahrungen und Erlebnisse. Und wir lieben ihre Geschichten, die uns so oft zum Lachen bringen, manchmal zu Tränen rühren und uns vor allen Dingen niemals kalt lassen. Sie regt einem zum Nachdenken an, ob man will oder nicht…

„Von Triggern, Scheuklappen und der zweifelhaften Kunst, kleine Kinder zu ignorieren“.

 Ich weiß, Ihr seid von mir eigentlich immer eher humorvolle Kolumnen gewohnt. Texte, bei denen man öfter mal schmunzeln muss oder sich beim Lesen gerne mal wieder erkennt. Heute möchte ich ein eher emotionales Thema anschneiden. Etwas, was hoffentlich NICHT viele von Euch kennen und über das ich aber genau deswegen einfach mal gerne schreiben würde: Ich ignoriere kleine Kinder. Nicht alle, wohlgemerkt, nur die hellhäutigen zwischen einem und fünf Jahren. Und nein, ich bin weder rassistisch noch habe ich einen an der Waffel (wobei,… da gehen ja die Meinungen weit auseinander ): 

Ich habe meine kleine Tochter verloren, elf Tage vor ihrem zweiten Geburtstag.

 Und seitdem drehe ich regelmäßig fast durch, wenn sich in meiner näheren Umgebung kleine Kinder aufhalten. Und nicht nur das. Geräusche, die kleine Kinder machen, wie lachen, schreien, quietschen, weinen oder glucksen, zerreißen mich innerlich fast. Und da brauche ich sie nicht mal zu sehen. Bilder, Videos oder sogar Erzählungen über Kinder ertrage ich kaum. Ich drehe mich dann gezielt weg, versuche unauffällig, meine Ohren auf Durchzug zu stellen und schließe meine Augen. Und da kommen wir zum eigentlichen Problem: Achtet mal darauf, WO überall kleine Kinder zu finden sind. Und damit meine ich selbstverständlich nicht auf Spielplätzen (die ich meide wie die Pest) oder irgendwo unterwegs mit ihren Eltern.

Nein, ich meine die Momente, in denen man eigentlich nicht damit rechnet.

Ich gebe euch ein Beispiel: Wir gucken liebend gerne Krimis, die ja sinnvollerweise oftmals erst abends kommen. Irgendwann dann kommt die unvermeidliche Werbung und prompt gehts los. Pampers-Werbung mit laut glucksenden Babys, Werbung für Herren- oder Damenrasierer, in denen ein Kind seinem Papa oder der Mama um den Hals fällt, Werbung für Küchenmaschinen, in denen man ganz toll Babybrei herstellen kann, Werbung für Babynahrung, Werbung für Schwangerschaftsvitamine, Gummibärchen-Werbung, in der die Erwachsenen reden wie Kinder und und und… versteht Ihr, was ich meine?

Ich scrolle durch Facebook oder Instagram und stolpere unweigerlich über Hunderte von zuckersüßen Babyvideos und Bilder, bei denen ich schlichtweg laut schreien könnte. Ich scheine solche Situationen allerdings auch anzuziehen wie ein Magnet. 

Offenbar gehe ich prinzipiell immer genau DANN einkaufen, wenn sich eine ganze Armada von Müttern mit ihrem Nachwuchs scheinbar zum Gruppenshopping verabredet hat. Oder ich setze mich irgendwo auf eine Bank und kann davon ausgehen, dass sich zwei Minuten später eine Mutter mit einem schreienden Baby neben mich setzt, um es genau dort zu beruhigen.

Ich weiß nicht, von wie vielen Müttern ich schon schräg angeguckt wurde, weil ich mich entweder demonstrativ von ihrem Kind weggedreht habe oder im Endeffekt dann natürlich gegangen bin. Einmal hat eine Mutter in der Kopfklinik lautstark zu ihrem knapp dreijährigen Mädchen gesagt: „Geh da weg, du siehst doch, die Frau mag dich nicht!“ Da war Ronja gerade mal ein halbes Jahr tot. Ich weiß auch nicht, wie oft ich nach so einer geballten Konfrontation von meinem eigenen Verlust schon im Auto gesessen und leise vor mich hin geheult habe.

Warum erzähle ich Euch das alles?

Nun, weil ich glaube, es vielleicht noch mehr solcher Menschen gibt, die sich mit dem Anblick kleiner Kinder schwertun. Solche, die eben ihre Kinder schon verloren haben oder die, die vielleicht keine Kinder bekommen können. Wieso kann man zum Beispiel nicht wenigstens abends solchen Menschen ihren Frieden gönnen und nur Werbung bringen, die ausnahmsweise mal nichts mit Kindern zu tun hat? Oder wieso müssen denn auf Plakaten, in Prospekten oder im Radio ständig Kinder sein, um etwas werbewirksam zu verkaufen?

Versteht mich bitte nicht falsch, ich LIEBE Kinder! Und als meine Krawalli noch lebte, habe ich es geliebt, andere Kinder zu sehen, zu beobachteten, mich mit ihnen abzugeben und mir Tausende zuckersüße Babyvideos angesehen.

Und irgendwann wird dieser Moment, in dem ich das wieder kann, bestimmt auch kommen.

Wenn Ihr Lust und Zeit habt, dann versucht Euch doch mal, für dieses Thema ein wenig zu sensibilisieren. Achtet mal darauf, wo im Alltag Ihr überall kleinen Kindern begegnet. Probiert mal gezielt aus fernzusehen, ohne dass da Kinder vorkommen dürfen. Ihr werdet feststellen, wie oft man eigentlich das Programm wechseln müsste (etwas, was wir dann auch regelmäßig machen.)

Trigger im Allgemeinen sind die wahre Hölle. Und von denen gibt es wahrlich genügend. Mir reicht da schon beispielsweise die Erwähnung der Städte Hamburg oder Berlin in jeglicher Art und Weise, selbst in Liedzeilen. Oder eben bestimmte Lieder. Gerne auch Lebensmittel oder spezielle Geräusche.

Ihr seht das Leben als trauende Mutter ist alles andere als ein Zuckerschlecken, auch wenn das in und für die Öffentlichkeit gerne ganz anders aussehen soll. 

Ich bitte Euch einfach um ein wenig mehr Verständnis für Menschen wie mich. Schüttelt nicht den Kopf, wenn sie Eure Kinder mit Nichtachtung strafen oder sich gezielt von Euch entfernen. Versucht nicht, sie auf Biegen und Brechen davon zu überzeugen, wie toll Kinder doch sind. Das wissen sie meistens ganz gut selbst….

Welche Erfahrungen habt Ihr vielleicht schon selbst gemacht? Seid Ihr verwaiste Mütter oder kennt Ihr jemanden, der sich vielleicht so ähnlich oder genauso verhält? Berichtet mir doch davon mal in den Kommentaren oder gerne auch über PN. Ich freue mich auf einen regen Austausch mit Euch.

Und ich verspreche Euch, die nächste Kolumne wird wieder unterhaltsamer.

Eure Muddi

Hier lest ihr eine weitere Kolumne von Corinna