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Wie reagiere ich, wenn sich mein Kind im Supermarkt auf den Boden wirft und einen Wutanfall hat?

Kennt ihr das auch? Dein Kind quengelt, wird lauter und plötzlich brüllt es los, wirft sich auf den Boden. Du möchtest am liebsten im Boden versinken…warum passiert das?

Mit diesem Thema kommt auch Marlene zu mir. Ihre Tochter Lea ist 3 1/2 Jahre alt und hat totale Aussetzer. In den unterschiedlichsten Situationen beginnt Lea zu Schreien wie am Spieß, wirft sich auf den Boden, rastet aus. Wenn sie etwas nicht bekommt, wenn sie es nicht schnell genug bekommt… Marlene versucht inzwischen, bestimmte Situationen zu vermeiden. Sie schämt sich, weil Lea so ausrastet, weil sie sie nicht beruhigen kann, weil sie selbst so wütend ist auf Lea, weil sie sich machtlos fühlt…

Am liebsten will sie, dass sich das Verhalten von Lea ändert. Wie kann das gelingen? 

Meine Antwort: gemeinsam.

Warum haben Kinder überhaupt Wutausbrüche?

In manchen Entwicklungsphasen haben Kinder häufiger Wutausbrüche als in anderen. Die erste Phase beginnt im Regelfall mit anderthalb, zwei Jahren und kann bis ungefähr 4 Jahren andauern.

Die Kinder entdecken ihre Autonomie und wollen am liebsten Vieles selber machen. Klappt etwas nicht, sind sie frustriert. Und dieser Frust äußert sich sehr häufig durch Wut.

Das steckt hinter der Wut

In der gewaltfreien Kommunikation gehen wir davon aus, dass ein Mensch mit dem, was er tut, ein Bedürfnis befriedigen möchte. Mit der bestmöglichen Strategie, die ihm oder ihr gerade zur Verfügung steht. 

Anders gesagt: für ein Verhalten gibt es mindestens einen guten Grund. Was könnte der gute Grund für einen Wutanfall sein?

Die Chance, dass das Kind sein Bedürfnis über einen Wutausbruch befriedigen kann, ist eher gering. Trotzdem zeigt es uns mit dieser Strategie: ich brauche dringend etwas! 

So gehst du mit der Wut deines Kindes um

Marlene kann behutsam mit Lea zielführendere Strategien erlernen – sie kann damit auch später als Erwachsene andere Wege finden mit ihrer und der Wut anderer umzugehen.

Erster Schritt: begegne deiner eigenen Wut

Ich lade Marlene ein, die Wutanfälle von Lea mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Das klingt im ersten Augenblick paradox. Sie will, dass Lea ihre Wut ‘in den Griff bekommt’. 

Dafür braucht sie Marlene, denn Lea ist mit 3 Jahren noch in einer Entwicklungsphase, in der sie Strategien erlernt ihren Bezugspersonen.
Kinder sollten nicht lernen, ihre Gefühle zu unterdrücken. Das ist keine gesunde Strategie. Sie sollen den Raum bekommen, ihre Gefühle ausleben zu dürfen – in dem Rahmen, den wir ihnen geben können.

Gleichzeitig reagierst auch du als erwachsener Elternteil innerlich auf die Wut deines Kindes mit unterschiedlichen Gefühlen, hinter denen deine Bedürfnisse stecken.

Das darf genauso sein und ist sehr wichtig!

Übung zur gewaltfreien Kommunikation 

In unserer Sitzung mache ich mit Marlene eine Übung mit Bodenankern, bei der wir vier Stationen durchlaufen. 

  1. Was beobachte ich oder was habe ich beobachtet? Hier hilft es sich vorzustellen, durch die Linse einer Kamera die Situation wahr zu nehmen und erstmal nicht zu bewerten. Also zB: ich sehe, Lea wirft einen Schuh. 
  2. Was für ein Gefühl löst das in mir aus?
  3. Welches Bedürfnis ist hier möglicherweise nicht erfüllt? Oder: Was hätte ich in dem Moment gebraucht?
  4. Was für eine Bitte möchte ich an mich oder mein Gegenüber formulieren?

Marlene findet sich in Verbindung mit den Bodenankern in folgender Situation wieder:

Sie ist etwas hektisch und gestresst. Einerseits durch den Einkauf an sich, sie hat nicht so viel Zeit, hat einen Termin im Nachgang, zu dem sie pünktlich sein will. Andererseits weil sie weiß, es wird wieder eskalieren. Sie ist angespannt und hat für Lea keine Zeit. Beim Wutanfall selbst ist Ohnmacht das vorherrschende Gefühl bei Marlene. 

Sie würde sich in solchen Momenten Verständnis wünschen, mehr Selbstvertrauen und Ruhe. Hier hilft ihr ein Blick auf die Bedürfnisliste, die ich ihr gebe.
Das Wichtigste sei ihr tatsächlich Verständnis- auch von ihrer Tochter – dass sie in Ruhe ihre Einkäufe erledigen kann und Lea einfach “mitläuft”, ohne sie zu stören. Harmonie ist ihr ein großes Bedürfnis in solchen Situationen. Dieses Bedürfnis ist nicht erfüllt, wenn Lea quängelt, wegläuft, Sachen mitnimmt und anfängt zu schreien, wenn sie nicht das bekommt, was sie benötigt. Sie wird dann tatsächlich auch wütend auf Lea.

Sie formuliert eine Bitte an Lea: „Ich wünsche mir, meinen Einkaufsplan ungestört abarbeiten zu können. Dann habe ich die nötige Ruhe, auch deine Bedürfnisse zu hören. Ich brauche dafür deine Hilfe.“
Diese Bitte gibt Marlene Ruhe und Zuversicht.
Das Gefühl der Ruhe und Zuversicht (ver–) ankern wir und Marlene übt, im Augenblick der aufkommenden Wut den sich ruhig zu fühlen und eine Bitte zu formulieren.

Ich erkläre Marlene, je stärker sie sich ihrer eigenen Gefühle und Bedürfnisse bewusst ist, desto leichter fällt ihr die Begleitung der Wut. Wir besprechen im Nachgang auch, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen ihre Wut sie übermannen wird und sie denkt: „Lea macht mich so aggressiv!!“

Wir machen uns auf die Suche nach Exitstrategien,  z.B. stupides Zählen, trink ein Glas Wasser, stampfe oder schrei in ein Kissen uvm.
Übermannt dich die Wut so sehr, dass aus dir herausbricht – übernehme danach die Verantwortung und kommuniziere, was passiert ist. Ganz wichtig ist dann, deinem Kind zu erklären, was gerade in dir passiert ist un dass du deswegen so reagiert hast. 

Hier ist es ganz entscheidend, wie wir über unsere Gefühle sprechen.

Zwischen „Du nervst mich“ und „Ich bin genervt.“ ist ein riesiger Unterschied! 

Gerade wenn du deine Gefühle vorlebst und aussprichst, lernt dein Kind, dass alle Gefühle ok sind und kann von dir Wege lernen mit diesen umzugehen.

In der nächsten Sitzung, erzählt Marlene vom letzten Einkauf. Sie hat Lea gleich am Anfang darauf hingewiesen, dass sie in Ruhe einkaufen möchte und dafür ihre Hilfe benötigt. Sie hat Lea gefragt, ob es in Ordnung wäre, sich darauf zu einigen, dass Lea nicht unterbricht, sondern ein wenig mithilft. Wenn sie etwas findet, dann darf sie sich eine Sache aussuchen, die sie dann alleine auf das Band legen kann. Lea war begeistert, sie hilft ihrer Mutter wahnsinnig gerne, schließlich hat sie sie lieb. Sie hat sich lange überlegt, was sie mitnehmen will und war damit sehr beschäftigt. Streit gab es keinen.

Liebe Grüße
Claudia Vucak

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