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Eine rote Uniform hatte dazu geführt, dass meine Tochter plötzlich in Thailand in eine staatliche Schule ging. Ich glaube, wir Eltern waren von dieser Entwicklung am Anfang überraschter als sie selbst. Nach einer Woche dämmerte es meiner Tochter allerdings: „Ihr habt mich reingelegt! Ich wollte gar nicht in die Schule! Ich wollte doch nur die Uniform!“

Alles auf Anfang

Ich erklärte ihr, wie genau wir ihr die Schule gezeigt und von den Regeln und Folgen berichtet hatten. Dass es ihre Entscheidung gewesen war, auch wenn der Wechsel in eine sehr korrekte Thaischule eine große Umstellung für sie bedeutete. Es half nicht viel. Unser Kind hatte seine Uniform, Freunde und Freude. Aber sie war nicht glücklich. Bestimmte Dinge, wie der verpflichtende Mittagsschlaf in der Schule, wurden zur Belastungsprobe. Ihre Freundin zog weg, und es hatte den Anschein, als würde unsere Tochter eher den Lehrern und Schülern Englisch beibringen als sie ihr Thai. Irgendwann erreichten wir den Punkt, an dem uns klar wurde, dass wir noch einmal einen Neuanfang wagen wollten. Wir wechselten auf eine freie Schule im Nachbarort. Dort gab es nicht nur Lehrer, die Englisch sprachen, dort waren auch eine Reihe ihrer Freunde.

In der freien Schule

Zeitsprung vor das Eingangstor der neuen Schule. Dieser Ort ist in allem so ziemlich das Gegenteil der Thaischule. Ein staubiger Hof. Eine Betonröhre, die sich in einem Hügel versteckt. Ein kleiner Kletterpfad. Fröhlich kreischende Kinder. Eine Tigermaske, überlebensgroß, übriggeblieben von einem Thementag, hängt an einem der Fenster. Ein Kräutergarten liegt direkt neben der Küche, in der das Essen jeden Tag frisch zubereitet wird. Es gibt keine langgezogenen Betonhäuser, sondern eine geschwungene Bambuskonstruktion, die sich schattenspendend über einen Sitzkreis zieht. Statt einer Klassengröße, die ungefähr denen deutscher Schulen vergleichbar ist, kommen hier sieben Lehrer*innen auf ungefähr 30 Schüler*innen. 

Kinder aus aller Welt

Wo es am Anfang noch Verständigungsschwierigkeiten mit den Thailehrer*innen gibt, springen jetzt ihre Freund*innen ein. Das passiert meist ganz automatisch, da die Kinder wirklich aus allen Ecken der Erde kommen. Von der Schweiz über die USA bis hin nach Australien, Russland und Israel ist alles dabei. Die Hälfte der Kinder sind Thaikids von lokalen Familien. Alle reihen sich frühmorgens mit ihren Scootern, Sidecars und Pickup-Trucks ein, um ihren Nachwuchs pünktlich zum Schultor zu bringen.

Lolas Lehrer*innen begreifen ziemlich schnell, dass ihr der Wechsel vom Roller hinein in den morgendlichen Schultrubel am besten gelingt, wenn sie sich ein interessantes Thema überlegen. So gibt es spannende Suchen nach seltsamen Käfern, angeregte Diskussionen über Vulkane oder auch einfach nur begeisterten Austausch über den neuen Lieblingspulli. Eine Schuluniform hat die kleine Schule nicht, im Gegenteil. Unsere Tochter geht nach wie vor gern barfuß hinein.

Olaf Bernstein schreibt für Barrio über all die aufregenden Schul- und Lernabenteuer seiner Tochter. Seine Gedanken findet ihr auf seinem Blog, bei Instagram, bei Twitter oder er schreibt hier bei Barrio.

Foto: Canva