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Wann müssen unsere Kinder lesen können oder über den Sinn und Unsinn von Frühförderung….

Kinder sind verschieden. Sie entwickeln sich unterschiedlich schnell oder langsam, haben diverse Interessen, Charaktereigenschaften und Fähigkeiten. Wieso ist es uns aber so wichtig, dass sie gerade im schulischen Kontext gewisse Meilensteine termingerecht erreichen?

Über den Drang, immer alle gleich zu machen

Die Antwort ist so simpel wie bedrückend. Wir haben Angst. Angst, dass unser Kind abgehängt wird. Dass das Fehlen der schulischen Grundlagen zu Frust führt. Dass unser Kind nicht aufs Leben vorbereitet wird und das wir am Ende der Zukunft unseres Kindes schaden.  Die Frage, die wir uns nun also stellen müssen, ist Folgende: Ist diese Angst berechtigt? Verliert unser Kind tatsächlich, wenn es nicht jetzt sofort lesen lernt? Dabei ist vor allem eines wichtig: Es gibt nicht die eine definitive Antwort für alle, sondern nur nur den Blick aufs jeweilige Kind.

Wichtig ist bei diesen Überlegungen vor allem, nicht das individuelle Tempo unseres Kindes aus dem Blick zu verlieren. Manche Kinder lernen langsamer als andere. Manche lernen schlicht anders. An diesen Gedanken muss sich die Frühförderung, wenn sie denn stattfinden soll, orientieren.

Wege zur Frühförderung

Gerade weil jeder Mensch anders lernt, ist es essentiell, am Anfang unterschiedliche Systeme auszuprobieren, bis die passende Lösung gefunden ist.

Montessori-Material

Maria Montessori war mit ihrem Leitspruch: „Hilf mir, es selbst zu tun“ eine Vorreiterin für den individuellen Blick auf das Kind. In der Montessori-Pädagogik speist sich der Lernfortschritt aus der simplen Tatsache, dass nach der passendsten Lernmethode für das jeweilige Kind geschaut wird. Eine wichtige Rolle dabei spielen Freiarbeit, künstlerische Arbeit mit allen Sinnen und die Erweiterung des Lernraums in Bereichen, wo Kinder besondere Begabungen zeigen, um Unterforderung zu vermeiden. Durch diese Flexibilität kann sich dem Lesen auf ganz neue Art und Weise genähert werden.

Übungen am ganzen Wort

Nicht jedes Kind begreift Worte gleich. Einige gehen den klassischen Weg von den Lauten über die Buchstaben bis hin zu einzelnen Silben und schließlich zum ganzen Wort. Für die Frühförderung kann aber auch genau der umgekehrte Ansatz hilfreich sein: Einige Kinder brauchen erst die komplette Verständnisebene des Wortes, bevor sie sich die zugrundeliegende Struktur im Nachhinein erschließen. Übungen am ganzen Wort können dann ungeahnte Fortschritte freisetzen.

Apps

Auch Lern-Apps haben den Vorteil, spielerisch an Themen wie Buchstaben und Worte heranzugehen. Sie verknüpfen das Lesenlernen mit spannenden Geschichten und erschließen so die Welt über Sprache. Gerade für kleine Kinder, die visuell lernen, ein lohnender Einstieg.

Wortspiele mit Magneten 

Eine Übung, die sich leicht zu Hause in den Alltag integrieren lässt und dabei die Elemente von Wörtern und Sprache offenlegt, sind Kühlschrankmagneten, die mit Buchstaben beschriftet sind. Hier können Kids nicht nur ihre Kreativität ausleben, sondern auch grundlegend verstehen, wie Sprache und Lesen funktioniert.

Zeichenspiele

Wenn das Kind gerne zeichnet und malt, können Malspiele helfen. Tiere mit den gleichen Anfangsbuchstaben auszumalen und die Worte dabei zu üben, schafft Verbindungen und Übergänge vom abstrakten Buchstaben hin in die reale Welt. Oder aber, Buchstaben werden in Tiere und andere Dinge umgestaltet. Alles, was das Interesse weckt und Begeisterung auslöst, ist erlaubt.

Lesen lernen mit Leselernbüchern mit Symbolen 

Um bei Kindern die Verknüpfung zwischen Wort und Gegenstand zu bilden, sind Leselernbücher, die einzelne Begriffe mit Bildern ersetzen, eine gute Wahl. Sie schaffen nicht nur ein Verständnis, wie ein bestimmtes Wort ein Bild im Kopf auslöst, sondern helfen auch, Grammatik und Satzbau besser wahrzunehmen.

Was Frühförderung können sollte

Frühförderung soll vor allem eins: Grundlagen schaffen. Damit sind nicht nur basale Kulturtechniken gemeint, sondern die Freude am Lernen an sich. Frühförderung sollte Spaß machen, flexibel sein und vor allem sich an die Bedürfnisse des Kindes anpassen. Optimalerweise sind die Methoden vom Kind selbst gewählt (aus einer Auswahl, die wir Eltern bereitstellen), und es steckt kein Zwang dahinter.

Denn ja, wir können unsere Kinder bereits als Leseratten in die Schule schicken. Wir können Bildungslücken auffüllen und unseren Kindern einen super Start ins Lernen ermöglichen. Vor allem aber können wir hier den Grundstein für eine lebenslange Lernbegeisterung legen. Und das Legen dieses Grundsteins braucht Geduld, Kreativität und ein bisschen Fingerspitzengefühl.

Olaf Bernstein schreibt für Barrio zu allen großen und kleinen Themen des Elternalltags. Weitere Gedanken findet ihr auf seinem Blog, bei Instagram oder bei Twitter.

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