Ich bin Papa. Ich arbeite Vollzeit. Und ich habe eine chronische Erkrankung: Morbus Crohn. In diesem Text soll es darum gehen, wie ich mit meiner Tochter über meinen Morbus Crohn spreche. Doch weil auch viele Erwachsene nicht wissen, was sich dahinter verbirgt, gibt es hier kurz die Antwort auf folgende Frage:
Was ist Morbus Crohn eigentlich?
Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die aber den gesamten Verdauungstrakt betreffen kann. Das heißt, die Probleme können vom Mund bis zum After auftreten. Wie viele andere, unsichtbare chronische Krankheiten ist Morbus Crohn relativ häufig (um die 450.000 Fälle von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen gibt es in Deutschland). Ihre Ursachen sind nach wie vor größtenteils unklar. Die Zahlen steigen generell stark an. Dennoch ist es ein absolutes Nischenthema.
Tabuthema Morbus Crohn
Das liegt zum einen daran, dass unsere Leistungsgesellschaft kein Ort ist, an dem wir sicher über chronische Krankheiten reden können. Zum anderen ist das Problem, dass es sich bei Morbus Crohn um eine Erkrankung handelt, die viele Tabus berührt. Häufiger Stuhlgang, Bauchschmerzen und Fisteln eignen sich nicht als Small Talk. Der Deutschen Lieblings-Schimpfwörter sind „Kacke!“ und „Scheiße!“ – falls sich noch jemand fragt, ob wir es hier mit einem komplizierten, schambehafteten Thema zu tun haben. Doch wenn es schon mit Erwachsenen schwer sein kann, über chronische Krankheiten zu reden – wie funktioniert das dann mit Kindern?
Kinder sind offener
Der große Vorteil, den wir haben, wenn wir mit unseren Kindern sprechen: Sie sind offener für alle Themen. Gerade wenn sie selbst lernen, wie die Verdauung funktioniert und die Art und Weise, wie der Körper arbeitet, sie fasziniert. Beim Sauber werden findet automatisch eine Beschäftigung mit dem eigenen Stuhlgang statt, und dass Menschen unterschiedlich oft auf Toilette gehen müssen, ist beispielsweise eine Info unter vielen. Ich achte darauf, dass alles, was ich anders mache als andere (bestimmte Nahrungsmittel meiden oder Medikamente nehmen), für meine Tochter vor allem eine Facette ist, wie Menschen auch sein können.
Was in mir vorgeht
Meine Tochter erlebt an meiner Krankheit nur das, was nach außen sichtbar ist. Wenn ich erschöpft und müde bin, merkt sie, dass ich gereizter bin und weniger lange spielen mag. Sie klopft gelangweilt an die Tür, wenn ich mal länger auf Klo bin (wobei das eine universelle Eltern-Erfahrung ist, die ich nicht für mich alleine reklamieren kann). Sie ist besorgt, wenn ich mit Bauchschmerzen im Bett liege und eine Wärmflasche brauche. Deshalb kommuniziere ich mit ihr transparent darüber, wie es mir geht und warum. So sieht sie, dass ich offen mit meiner Krankheit umgehe und kann ihr damit Ängste und Sorgen nehmen.
Wir sind wertvoll, wie wir sind
Eine oder mehrere chronische Krankheiten zu haben, ist kein Geschenk. Keine Erfahrung, an der wir wachsen können und schon gar keine Aufgabe des Universums. Aber es ist eine Chance, den eigenen Kindern anschaulich zu zeigen, warum es wichtig ist, dass wir auf uns achten. Wie wir unsere Ressourcen schonen. Und dass Krank sein und Bedürfnisse zu haben keine Tabuthemen sind – sondern ganz entscheidende Bausteine, damit wir uns als Menschen sicher, wertvoll und gesund fühlen können.
Olaf Bernstein hat Morbus Crohn, seit er 15 Jahre alt ist. Wie sich sein Leben seitdem entwickelt hat, beschreibt er unter anderem auf Barrio, auf seinem Blog, bei Instagram oder bei Twitter.