Das Interesse von Menerva Hammad gilt den Menschen auf der ganzen Welt – deren Sichtweisen, deren kulturellen Hintergründen, deren Leben. Sie hat mit Frauen auf der ganzen Welt über deren Leben gesprochen und erzählt deren Geschichten. Sie bricht damit viele Stereotype. Die Leser*innen finden sich in der Geschichte einer Genitalverstümmlerin, die später zur Sexualberaterin wird, wieder. Es wird von einer jungen Frau berichtet, die wie durch ein Wunder aus ihrer Zwangsehe entkommen konnte, aber auch von einem Jungen, der sich im falschen Körper gefangen fühlt. Viele weitere Geschichten berichten von erstaunlichen, starken, mutigen Frauen,
deren Stimmen gehört werden müssen. Mit Wiener Schmäh, ägyptischem Temperament und endloser Hingabe zwischen den Zeilen, werden Türen und Fenster zu Menschen und deren Leben geöffnet.
Zuhören ohne zu urteilen
Menerva Hammad kann zuhören, ohne zu urteilen, so ist es ihr gelungen berührende Schätze in Worte zu fassen. Die Autorin erzählt Geschichten mit der ihr eigenen Sensibilität, die sich nur in einem aufgeschlossenen Leben zwischen den Kulturen herausbilden kann.
Anneliese Rohrer, Doyenne der innenpolitischen Publizistik
Herausgeber: Braumüller Verlag (1. Oktober 2019)
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
ISBN-13 : 978-3991002871
Zum Buch geht es hier
Menerva Hammad ist es gelungen einen wahren Schatz an Geschichten, die das Leben schrieb zu sammeln und auf einzigartige Art und Weise für die Leser*innen zugänglich zu machen. Ein Buch voller starker, mutiger Frauen, einzigartiger, inspirierender, berührender Geschichten und unglaublicher und authentischer Schicksale. Ein Buch, das unsere Herzen berührt und uns voller Mitgefühl und Freude teilhaben lässt. Durch die Ich-Erzählperspektive werden wir noch tiefer mit den Frauen und ihren Geschichten verbunden, wir merken, dass jede einzelne Geschichte in uns selbst wirkt, nachwirkt und etwas bewirkt.
Ein Schatz an Geschichten über starke, mutige Frauen von Menerva Hammad
Ich möchte jeder einzelnen Frau danken, dass sie uns ihre Geschichte erzählt hat, die Menerva Hammad mit ihrer einzigartigen Sensibilität, ihrem Respekt und ihrer gefühlvollen Art an uns weitergegeben hat. Jede der Frauenschicksale ist einzigartig, genauso wie die Frau, von der sie berichtet. Es wird mit lange überfälligen Vorurteilen aufgeräumt, dem Leid eine Stimme gegeben, Mut gemacht aus festgefahrenen Strukturen und Normen auszubrechen und Hoffnung gegeben den eigenen Weg zu gehen, die eigene Stärke zu finden und zu leben.
Jede Geschichte bringt uns auch der Autorin näher
Menerva Hammad informiert im Vorwort zu jeder Geschichte, wo und wie sie die interviewte Frau kennengelernt hat. Dies gibt uns ebenfalls Einblick in das Leben der Autorin selbst. Die Erkenntnis war für mich zu sehen, wie Frauen auf der ganzen Welt, egal ob aus Kuweit, Dubai, Ägypten, Texas, Österreich oder Deutschland im Grunde für das Gleiche, nämlich ein glückliches, selbstbestimmtes Leben kämpfen. Religion, Nationalität und sexuelle Ausrichtung spielen dabei keine Rolle, aber Glück bedeutet für jede etwas ganz eigenes.
Fazit: Dieses Buch solltet ihr gelesen haben.
Das Interview zum Buch mit Menerva Hammad
Warum ist es so wichtig, dass wir wieder lernen richtig zuzuhören und unseren Gesprächspartner*innen Aufmerksamkeit zu schenken?
Oftmals überkommt mich das Gefühl, dass wir gar nicht mehr miteinander reden, um weiterzukommen, sondern, um einander die Stirn zu bieten. Wer hat Recht? Wer weiß was besser? Dabei ist das Zuhören eine gratis Form um zu lernen. Man muss dabei gar nicht die Meinung seines Gegenübers teilen, ich denke sogar, dass sie der eigene Horizont erweitert, wenn man sich nicht einig ist, weil man dann, wenn man etwas lernen möchte, die Situation der anderen Person besser verstehen kann. Wenn man die Würde eines Menschen anerkennt und ihm auf Augenhöhe begegnet, dann klappt das auch mit dem Zuhören gut, aber das haben wir mit der Zeit verlernt, weil wir alle lieber die lehrende Person wären und nicht die, die vielleicht gerade entdeckt, dass sie fehlinformiert ist.
Du hast mal gesagt, dass dein Buch kein Buch über außergewöhnliche Frauen ist, sondern ein Buch über Geschichten ist, die tagtäglich geschehen, überall auf der Welt. Warum ist das so?
Naja, weil es nunmal so ist. Ich habe ein Buch über Frauen geschrieben, denen wir tagtäglich begegnen, ohne zu wissen, was sie durchgemacht haben. Das kann deine Nachbarin sein, jemand aus deiner Familie oder dem Bekanntenkreis. Es sind keine berühmten Frauen, sie schmücken keine Fashion-Magazine, aber sie sind trotzdem Heldinnen.
Haben wir Frauen egal, wo auf der Welt wir leben, die gleichen Fragen und Bedürfnisse?
Im Großen und Ganzen schon. Wir wollen geliebt werden, für unsere Arbeit anerkannt und uns nicht ständig für Entscheidungen die uns als Person betreffen, rechts und links rechtfertigen müssen. Dabei ist es unabhängig von Ethnie, Religion, Alter und sexueller Orientierung, das sind Grundbedürfnisse bei sehr viele Frauen (und ich denke bei Menschen allgemein).
Warum ist es so wichtig, dass wir als Frauen uns gegenseitig den Rücken stärken und Verständnis füreinander haben, anstatt uns zu bashen?
Wer wenn nicht wir? Eine Frau kennt die Bedürfnisse einer anderen Frau. Es gibt Dinge, die nur Frauen untereinander verstehen können, davon bin ich überzeugt. Ein Mann kann z. B. nicht nachempfinden, was es bedeutet monatlich zu bluten und trotzdem so zu funktionieren, als sei man 100% da. Körperlich und mental. Also müsste diese Quelle der Weiblichkeit eigentlich ein Grund sein, um einander zu stärken.
Das Buch handelt von Frauen auf der ganzen Welt. Du hast die Ich-Form gewählt, so werden Leser*innen nicht nur zur Betrachter*innen. Warum ist dir das wichtig?
Mir war wichtig, dass diese Frauen ihre Geschichten selbst erzählen und nicht, dass ich über jemanden spreche. Ich würde das auch so für mich wollen, dass ich meine eigene Geschichte erzählen kann, auch wenn ich dafür die Stimme oder den Stift einer anderen Person ausleihe, wie es eben bei mir jetzt als Autorin war. Und außerdem wollte ich, dass die LeserInnen in der Ich-Form nicht nur lesen, sondern auch spüren, sich in die Situationen hineinversetzen. Das war mir enorm wichtig, denn Empathie ist ein seltenes Gut und damit wollte ich das ein wenig pushen.
Wie hat sich für dich dadurch der Schreibprozess gestaltet?
Es war sehr schwierig, denn es sind Gespräche, die ich über 13 Jahre gesammelt habe, ich hatte ein Kleinkind, das nachts nicht durchschlief und war schwanger, also permanent müde und schwach. Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, wie ich es geschafft habe, dass das Buch so gut geworden ist.
Was haben die Geschichten deines Buches mit dir gemacht?
Nichts außer der Tod ist garantiert. Ich alleine bin genug. Man muss fallen, um aufstehen zu können. Geld ist kein Glück wert. Geduld ist Gold – einige Lehren, die ich gelernt habe.
Stillen im Bus in Ägypten kein Problem, in Österreich und Deutschland ein No-Go, wie erklärst du dir das?
In arabischen Ländern wird ein kleines Mädchen schon darauf vorbereitet, dass es eines Tages Ehefrau und Mutter sein wird. Der Bub wird Arzt oder Ingenieur. So werden die meisten Kinder im arabischen Raum erzogen, bis heute noch. Man sieht das Mädchen, das Fräulein und die Frau also immer in einer mütterlichen Szene, nicht in einer sexuellen. In Europa ist es anders, denn man muss gar nicht heiraten und Kinder zu kriegen, ist schon wieder Out, jetzt ist es ja ganz modern zu sagen “Ich als Frau will gar keine Kinder”. Eine Frau wird hier halbnackt zu einer Ware hingestellt, damit diese Ware verkauft wird, quasi als Lockvogel. Wir werden überhäuft von nackten Frauen. In Zeitungen, Zeitschriften, selbst in der Werbung. Mit einem nackten Frauenkörper kann man fast alles verkaufen. Deshalb ist es ganz normal, dass man in Ägypten öffentlich stillt, denn die Stillende passt ja perfekt in das gesellschaftliche Muster, das für sie konstruiert wurde. Aber eine stillende Deutsche z. B, in der Öffentlichkeit, das geht nicht, denn stillen ist alles andere als sexy und dieses Bild ist für uns immer noch ein bisschen ein Tabu und erinnert an Muttersein, was immer automatisch gegen die Karrierefrau steht.
Dein Buch handelt von starken Frauen und der Fähigkeit sich selbst zu lieben. Wie sollten wir als Mütter unsere Töchter erziehen, dass sie zu starken Frauen heranwachsen können?
Ehrlich sein. In sich und an sich arbeiten. Emotionen zulassen und den Kindern erklären, dass nicht immer alles rosig ist.
Was ist deine Botschaft an die Frauen auf der Welt, egal wo sie leben und wovon sie träumen?
Bleib dir selbst treu, auch dann, wenn du nicht weißt was du gerade tust, oder wer du heute bist.
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Beitragsfoto: © Hiba Khelifi, Cover Braumüller Verlag