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Seltene Krankheiten, so geht man in Asien damit um. Wir leben als Familie seit mehreren Jahren in Asien. Wir haben in der Zeit viele verschiedene Kliniken und Ärztepraxen gesehen. Einige von ihnen waren dürftigst ausgestattet, während andere uns das Gefühl vermittelten, wir seien in einem luxuriösen Spa abgestiegen. So vielfältig die Möglichkeiten für wohlhabende Menschen sind, sich behandeln zu lassen, so unterschiedlich sind auch die Erkrankungen und der hiesige Umgang mit ihnen. Seltene Krankheiten werden gerade bei Kindern häufig übersehen oder nur unzureichend behandelt – auch, weil es an Forschungsgeldern und Bewusstsein fehlt. Der Tag der seltenen Krankheiten, der am 28. Februar 2021 stattfindet, soll international Aufmerksamkeit bei diesem Thema schaffen. Doch wie ist der Umgang mit ihnen in den Staaten, in denen wir gelebt haben?

Krankheit als Tabuthema

Ob in Asien jemand krank ist, merkt man eigentlich nur am obligatorischen Mundschutz. Krankheiten sind ein privates Thema, das häufig sogar religiöse Bereiche berührt. Während wir in Deutschland hauptsächlich etwas abergläubisch „Gesundheit“ sagen, wenn jemand niest, damit wir uns nicht anstecken, sind beispielsweise Behinderungen oder das „im falschen Körper geboren sein“ von Transsexuellen in buddhistisch geprägten Ländern wie Thailand eine direkte Folge von Fehlverhalten in einem früheren Leben.  Der Wunsch, vor anderen nicht das Gesicht zu verlieren, limitiert den Rahmen, in dem sich kranke oder behinderte Menschen überhaupt bewegen können, sehr. Leider erschwert es damit auch die Möglichkeiten, die Wahrnehmung und Behandlung von seltenen Krankheiten zu verbessern. Der Weg zu einem modernen Land führt notwendigerweise über ein modernes Gesundheitssystem – der Tag der seltenen Krankheiten ruft uns immer wieder ins Gedächtnis, wie wichtig dieser Gedanke weltweit ist.

Schneller Wandel

Viele Länder in Asien entwickeln sich in einem für Deutsche atemberaubenden Tempo. Wo in Kambodscha noch vor fünf bis zehn Jahren Sandstraßen waren, ragen jetzt glitzernde Glastürme empor. Die Straßen in Thailand sind selbst im ländlichen Norden besser und breiter ausgebaut als die A1 und auch im Bummelzug hat man überall Handyempfang (leider wahr, liebe Deutsche Bahn). Das alles scheint nicht zu dem Bild zu passen, das wir von „Entwicklungsländern“ haben. Im Grunde liegt das daran, dass wir im Urlaub ein spezielles, folkloristisches Bild zu sehen bekommen, das nicht unbedingt viel mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun haben muss. Tatsächlich haben sich viele Staaten in Asien stark gewandelt. Leider heißt das nicht zwangsläufig, dass es deshalb auch große soziale Fortschritte, beispielsweise im Gesundheitssystem, gäbe.

Westliche Krankheiten

Die Entwicklung verläuft in Indien oder Thailand vielschichtig. Der wirtschaftliche Aufstieg ganzer Generationen und Bevölkerungsschichten hat einen enormen Anstieg von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Störungen oder Atemwegsprobleme zur Folge gehabt. Darauf sind die meisten Länder nur unzureichend vorbereitet: Diese Erkrankungen wurden lange als „westliches“ Problem angesehen und finden gerade in der traditionellen Medizin keine Entsprechung. Wenn eine ehemals seltene Erkrankung plötzlich massenhaft auftritt, dauert es, bis sich die Klinken und Ärzte darauf eingestellt haben. Noch schwieriger ist die Lage aber, wenn es sich tatsächlich um seltene Krankheiten wie die Duchenne-Muskeldystrophie handelt: So werden diese Erkrankungen beispielsweise in Thailand nicht von der generellen Krankenversicherung abgedeckt.  Bei seltenen Herzfehlern von Neugeborenen, die sofort nach der Geburt operiert werden müssen, bleiben die dortigen Krankenhäuser häufig auf ihren Kosten sitzen, weil die Menschen schlicht kein Geld haben, um ihre Arztrechnungen zu bezahlen.

Unterschiedliche Herausforderungen

Die Herausforderungen für den Umgang mit seltenen Krankheiten sind also in Fernost ein Stück weit andere als in Deutschland. Von geringer Sichtbarkeit und Scham bis hin zu Verurteilung und fehlenden Ressourcen vor allem für die ärmere Bevölkerung gibt es viele Faktoren, die den Umgang mit seltenen Krankheiten erschweren. Auf der anderen Seite sind die Grundstrukturen, die es bräuchte, um Betroffenen zu helfen, oftmals bereits gegeben. Was fehlt, ist – wie so oft – eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der seltenen Erkrankungen, die hoffentlich in den nächsten Jahren durch die wachsende Aufklärung und eine verbesserte medizinische Versorgung zunehmen wird.

Olaf Bernstein

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Beitragsfoto: von Olaf Bernstein