Wie Studien in Großbritannien belegen, führt die Corona Krise bei Kindern und Jugendlichen zu seelischen Belastungen, die im zurückliegenden Jahr dazu geführt haben, dass die Zahl der psychisch auffälligen Kinder von 18% auf 31% gestiegen ist. Kinder können im Angesicht dessen, was um sie herum passiert mit unspezifischen Symptomen reagieren, aber auch Ängste entwickeln, Schlafstörungen, Albträume, Einnässen und vieles mehr. Kinder gehen mit der aktuellen Situation anders um als Erwachsene und sind oft überfordert, wenn sie mit der Komplexität von Corona konfrontiert werden.
Plötzlich steht das Leben Kopf
Es ist leicht nachzuvollziehen, von einem Tag auf den anderen ist es nicht mehr möglich in Kita, Kindergarten und Schule zu gehen. Freunde, Verwandte und Bezugspersonen, wie Oma und Opa dürfen nicht mehr besucht werden. Sportverein und andere Freizeitaktivitäten sind tabu. Und auch Mama und Papa, die oft zu Hause im Homeoffice arbeiten, sind nicht selten genervt und reagieren ungehalten. Mal ehrlich da ist auf einmal die Welt, wie die Kids sie bislang kannten, zusammengebrochen. Noch schlimmer, sie wissen nicht mal, wann das alles aufhört und sie wieder ausgelassen mit ihren Freunden toben und spielen können.
Die meisten Kinder sind sehr einsam
Kinder leiden unter dem Social-Distancing mehr als wir dies wahrnehmen. Und sind wir mal ehrlich, auch wir tun das. Besonders schwer ist es für Kinder, die als Einzelkinder leben, bei Kindern von Alleinerziehenden und bei Kindern aus sozialschwachen Familien. Gerade diese Kinder sehen sich besonders großen Herausforderungen gegenüber, aber auf ihre Sorgen und Nöte wird nur unzureichend eingegangen. Bei einigen kommt es zu Übersprungshandlungen, mit denen sie versuchen den inneren Druck, der sich angestaut hat, abzubauen. Das kann eine harmlose Reaktion, wie massives Türknallen bis hin zu wilder Zerstörungswut von Spielzeug oder anderen Dingen sein. Auch zwanghaftes Händewaschen wird schon bei den Allerkleinsten beobachtet.
Kinder empfinden andere Dinge als bedrohlich
Kinder empfinden manche Ereignisse als viel bedrohlicher, als wir dies tun. Gewitter kann da schon ein ernstes Problem werden. Wie muss es erst auf sie wirken, dass unsere gesamte Gesellschaft still zu stehen und alles Liebgewonnene nicht mehr zu existieren scheint. Da ist es klar, dass sie Angst und Stress empfinden. Hinzu kommt, dass Kinder auf ihre Bezugsperson fixiert sind, wenn wir nun ängstlich auf sie wirken oder eher grundlos aggressiv, dann ist es nur normal, dass sie dies ebenfalls betrifft. Wir als Vorbilder und Orientierungshilfen unserer Kinder müssen bei uns darauf achten, dass wir weder überängstlich, noch nervös oder auch über-aggressiv reagieren. Natürlich ist das persönliche Erleben der Bedrohung vom Alter und dem Entwicklungsstand des jeweiligen Kindes abhängig.
Die Reaktionen der Kinder auf Corona sind ganz unterschiedlich
Kleine Kinder reagieren auf derartige Veränderungen in ihrer Welt eher mit Bauchschmerzen, Unwohlsein und Schlafmangel. Es kann gut sein, dass sie uns auch nicht von der Seite weichen wollen und sehr anhänglich sind. Es gibt auch Kinder, die mit Rückzug reagieren und sich verkriechen, leise und lustlos erscheinen. Sie wünschen sich nichts sehnlicher als Nähe, Sicherheit und wieder ihren gewohnten Alltag. Schulkinder, die ihre sozialen Kontakte vermissen, zeigen oft Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit und Traurigkeit. Konzentrationsschwäche, Unruhe und auch Schlafstörungen können ebenfalls auftreten. Ältere Kinder machen sich zum Teil schon konkrete Sorgen wegen der Ansteckung, oder der Bedrohung, die Corona für Oma und Opa bedeuten könnte. Kinder von Alleinerziehenden haben Angst, dass der Mutter/Vater etwas passieren könnte und sie alleine dastehen. Für Kinder ist es schwierig mit dieser indirekten Angst umzugehen, zumal sie schon seit langem nicht weicht, sondern eher durch die Infos über die Corona Mutationen schlimmer wird.
Familienleben steht Kopf
In allen Familien steht der gewohnte Alltag Kopf. Eltern in systemrelevanten Berufen haben wenig Zeit für ihre Kinder und sind an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Homeschooling und Familie ist für andere eine ungewöhnlich große Herausforderung. Wieder andere bangen um ihren Arbeitsplatz. Und manche Eltern sind einfach mit der Kombination überfordert. In jedem Fall heißt das für die Kinder (egal welchen Alters), dass es zu mehr oder weniger schweren Konflikten mit den Eltern kommt. Dadurch wird ihnen zusätzlich die Sicherheit entzogen, die Eltern normalerweise bieten. Die Patient*innen, die psychologische Betreuung benötigen, sind ebenso die Allerkleinsten über Kleinkinder bis hin zu Jugendlichen.
Zunehmende Gewalt wegen Corona
Leider hat Corona auch dazu geführt, dass es in einigen Familien zu massivem Streit bis hin zu körperlicher Gewalt kommt. Durch den Lockdown wird die Situation massiv erschwert. Die Kinder haben nicht die Möglichkeit sich einem*einer Ansprechpartner*in in Kita, Schule etc. anzuvertrauen. Die Folgen der Gewalt bleiben erstmal unentdeckt. Welche Spätfolgen das für die Kinder mit sich bringen wird, werden wir erst lange nach Corona feststellen können. Eins ist allerdings schon heute klar, die Kinder brauchen jetzt dringend Hilfe, die in den meisten Fällen ausbleibt und sie alleine in einem Teufelskreis zurück lässt. Laut einigen Psycholog*innen führt dies bereits jetzt dazu, dass Jugendliche sich häufiger selbst verletzten und auch Suizidgedanken deutlich häufiger auftreten. Auch der Drogenkonsum hat bei den älteren Kindern zugenommen.
Kinder in Familien mit Covid Erkrankten
Es gibt Kinder, die direkt mit Covid konfrontiert sind. Ist ein Familienmitglied erkrankt oder jemand an Covid verstorben, ist die psychische Belastung für die Kinder auf eine unermessliche Größe gewachsen mit der sie nicht umgehen können. Hier ist unbedingt seelsorgerische und psychologische Hilfe notwendig.
Die Corona Krise hat das Potential, dass sich bei vielen Kindern Trauma Symptome entwickeln könnten, da alle Konstanten im Leben plötzlich weggebrochen sind, nichts mehr vorhersehbar ist und die Kinder auch nicht in der Lage sind alleine damit klar zu kommen. Dringend benötigte Hilfe bleibt aber aus, da Eltern selbst überfordert und Therapieplätze ausgebucht sind. Die ersten Folgen der Kinder, wie Angst, Stress, Depressionen, Zwangsverhalten sind schon jetzt zu sehen, die Spätfolgen heute noch nicht abzusehen.
Unbedingt Normalität in den Corona Alltag einbauen
Je mehr Normalität wir in unseren Alltag einbauen und je mehr Quality-Time wir mit unseren Kindern verbringen, desto mehr helfen wir ihnen. Gemeinsam kochen und Kuchen backen, die Mahlzeiten gemeinsam einnehmen, Film und Spielabende, soziale Kontakte zu Familie und Freunden per zoom oder skype, Bastelstunden und Mikroabenteuer sind nachweislich eine optimale Unterstützung für die Kinderseele, um mit den derzeitigen Umständen umzugehen.
Mit gemeinsamen Gesprächen, neuen Familienritualen und jeder Menge Liebe kann Corona auch zur Chance werden. Lasst es uns angehen.
Foto: Von L Juliashutterstock.com