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„Schatz, das hast du aber toll gemacht!“ Warum Loben nicht funktioniert! Wenn ein Kind etwas gut gemacht hat, lobe ich. Schließlich möchte ich zeigen, dass ich aufmerksam zuschaue.  Inzwischen ist Loben besonders in bedürfnisorientierten Kreisen verpönt. Aber wieso? Was soll so schlimm sein am Loben?

Was ist Loben überhaupt?

Loben wird oft mit Wertschätzung verwechselt. Während Wertschätzung authentisch und ein Ausdruck echter Freude ist, ist Loben eher eine Höflichkeitsfloskel. In der Praxis sieht beides manchmal ganz ähnlich aus. Der große Unterschied wird erst sichtbar, wenn wir auf die Absicht dahinter schauen. Bei reiner Wertschätzung gibt es nämlich einfach: keine. Ich freue mich, bin ehrlich begeistert und teile das mit. Wertschätzung ist nichts anderes als ein Ausdruck meiner Begeisterung.

Loben ist zielgerichtet

Loben dagegen hat ein Ziel. Manchmal wollen wir unserem Kind vermitteln, dass wir auch wirklich das siebzigste Kletterkunststück ganz aufmerksam verfolgen, manchmal wollen wir einen Lernfortschritt stützen (Stichwort: positive Verstärkung). Fakt ist, dass es uns beim Loben nicht darum geht, unsere Gefühle auszudrücken. Wir wollen etwas erreichen. Viele Expert*innen gerade in der bedürfnisorientierten Szene kritisieren, dass sich hier das Ziel (wer gelobt wird, lernt sicher besser und schneller) vor die Beziehung („ich sehe dich“) schiebt.

Wo ist da das Problem?

Wenn wir loben, haben wir also ein Ziel. Aber: haben das nicht alle Eltern mit ihren Kindern? Das Problem daran ist der Blick aufs Kind. Wir schauen nicht auf die momentane Situation, sondern auf mögliche Folgen in der Zukunft. Wir betrachten nicht, was ist, sondern was unserer Meinung nach sein könnte oder müsste. Dieser Blick macht es schwieriger, unser Kind da abzuholen, wo es ist. Dieser Blick ist leistungsorientiert. Wir schauen auf Entwicklung, auf Meilensteine und normgerechte Entwicklung.

Enttäuschungen werden verstärkt

Was machen wir aber, wenn sich unser Kind nicht immer in allen Bereichen der Norm entsprechend entwickelt? Richtig, wir sind enttäuscht. Wenn auch nur ein kleines bisschen. Und unser Kind, das spürt diese Enttäuschung sehr deutlich. Schon allein daran, dass es diesmal kein Lob erhält.

Was erhoffen wir uns davon?

Die meisten Eltern nutzen Lob bewusst oder unbewusst als positive Verstärkung. Das bedeutet, dass Verhalten, das uns gefällt, durch Lob bestärkt wird, damit es in Zukunft häufiger so ausgeführt wird.

Das klingt erstmal ganz nett

Leider ist Lob für unsere Kinder nichts anderes als die andere Seite von Bestrafung. Ob nun etwas Positives passiert, wenn ich mich „richtig“ verhalte, oder etwas Negatives, wenn ich etwas „falsch“ mache: Ich will unbedingt die möglichst positive Bewertung erhalten. Und strenge mich dafür unter Umständen sogar gegen meine eigenen Bedürfnisse sehr an. Besonders unsere Kinder, die uns unbedingt gefallen wollen, werden das mit aller Kraft tun. Ultimativ laufen wir also Gefahr, unsere Kinder dazu zu zwingen, ihr Wesen zu verstecken, um sich so zu verhaltenen, wie wir es wünschen. Und das selbst, wenn das Loben einfach nur lieb und aufbauend gemeint war.

Warum funktioniert Loben nicht?

Loben funktioniert nicht. Zumindest nicht wirklich. Zum einen sind Kinder wahre Meister darin, unauthentische Kommunikation zu entlarven, und zum anderen nehmen wir unseren Kindern etwas ganz Entscheidendes. Indem wir sie darauf konditionieren, immer auf unser OK, unser Häkchen, unser „toll gemacht“ zu warten, trainieren wir ihnen die intrinsische Motivation ab. Sie gewöhnen sich quasi so sehr an das Lob, dass sie eher Verhalten zeigen, das ihnen nette Worte einbringt. Das bedeutet, dass sie Stück für Stück verlernen, das zu tun, was sie eigentlich tun wollen. Sie bekommen gar nicht die Chance, sich wirklich auszuprobieren, zu scheitern, neu zu finden und selbst zu festigen, weil sie so abhängig von unseren liebevollen Worten sind. Die sie, wie sie wissen, ganz gezielt abrufen können, wenn sie sich nur „richtig“ verhalten.

Was wir tun können, statt zu loben

Und nun? Darf ich nie wieder etwas nett kommentieren, das mein Kind tut? Doch. Natürlich. Unbedingt sogar. Wichtig ist es, dass wir darüber nachdenken, warum wir unser Kind bewundern – und ob es aufrichtig ist. Wer beim ersten Schritt (oder auch beim zehnten) aus dem Häuschen ist, darf und soll das ruhig zeigen. Denn das ist ehrliche Freude. Daran ist nichts gespielt, wir haben hier kein Ziel, als einfach nur unserer Begeisterung Luft zu machen. Wenn unsere Kinder sich wünschen, dass wir besagte siebzigste Kletterkunststück bewundern, können wir – wie bei Erwachsenen auch – etwas benennen, das uns ehrlich freut.

Alternativen zum Lob

  • „Ja, und das Wetter ist so toll dabei – was für ein schöner Tag!“
  • „Du hast ja echt Energie heute.“
  • „Guck mal, das Kind hinter dir ist auch ganz begeistert.“
  • „Super, dass du das hinbekommst und ich hier sitzen kann.“
  • „Ich sehe dich.“
  • „Du hast echt Spaß, oder?“

Die Möglichkeiten sind endlos. Unseren Kindern geht es in jedem Fall ums eins: um Kommunikation und Verbindung. Und die bekommen wir auf ganz vielfältige Weise hin.

Loben müssen wir dafür wirklich nicht.

Josephine Bernstein schreibt für Barrio unter anderem über bedürfnisorientierte Elternschaft. Weitere Denkanstöße findet ihr auf ihrem Blog, bei Instagram oder bei Twitter.

Fotos: Olaf Bernstein

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