Eltern werden alltäglich in ihrem Arbeitsleben diskriminiert. Sandra Runge, Rechtsanwältin aus Berlin und Karline Wenzel, Kommunikationsberaterin aus München haben Anfang 2021 beschlossen,, dass es so nicht weitergehen kann und gründeten gemeinsam die Initiative #proparents. Ziel ist es zum einen, einen öffentlichen Dialog zum Thema „Diskriminierung von Eltern“ anzustoßen, und zum anderen, Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aufzunehmen. Um das zu erreichen, haben sie kürzlich zusammen mit den Zeitschriften „Brigitte“ und „Eltern“ die Petition #gleichesRechtfürEltern gestartet, mit der sie bis zum 31.05.2021 50.000 Stimmen sammeln wollen. Wir haben Karline über #proparents und die Idee hinter ihrer Forderung gesprochen.
Wer bist Du und was ist #proparents?
Karline: Ich bin Karline Wenzel, Kommunikationsberaterin und Mutter zweier Töchter aus München. Gemeinsam mit Sandra Runge, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mutter zweier Söhne aus Berlin habe ich Anfang des Jahres #proparents gegründet. Unterstützt werden wir von vielen großartigen Menschen, die sich für mehr Gerechtigkeit für Eltern in der Arbeitswelt stark machen. Wir fordern mit #proparents die Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals »Elternschaft« in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), Eine entsprechende Regelung im AGG würde alle berufstätigen Eltern, unabhängig von Familienstand und vom Geschlecht umfassen: Mütter, Väter, egal ob alleinerziehend, oder in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft – vom Minijobber bis zur Geschäftsführerin. Sie alle wären durch eine klare gesetzliche Grundlage vor Benachteiligungen geschützt, könnten Anspruch auf Schadensersatz geltend machen und sich im Diskriminierungsfall auf eine Beweislastumkehr stützen.
Was war für Euch der Auslöser, die Initiative #proparents zu starten?
Karline: Die Benachteiligung von Eltern, von Familien, ist der Elefant im Raum, über den irgendwie niemand spricht. Mir wurde das in dem Ausmaß erst vor einem Jahr, zu Beginn der Corona-Krise klar. Aus Enttäuschung darüber, wie wenig Beachtung die Bedürfnisse und der Alltag von Familien in politischen Entscheidungen fanden, gründete ich mit einigen anderen Müttern die Initiative „Eltern in der Krise“. Darüber lernte ich auch Sandra kennen und fand die Idee, sich für einen gesetzlichen Schutz von Eltern einzusetzen, sofort sehr überzeugend.
Welchen Schwierigkeiten begegnen Eltern sonst noch im Arbeitsalltag? Habt ihr selbst etwas davon erlebt?
Karline: Eltern werden im Job benachteilig – das kriegen wir beide in unserem Umfeld fast täglich mit. Dabei gibt es in Deutschland fast 20 Millionen Eltern, die den Grundstein für die langfristige Weiterentwicklung und Funktionsfähigkeit von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft legen. 80 % dieser Elternsind erwerbstätig und erwirtschaften einen erheblichen Teil des Bruttoinlandsproduktes bzw. der Steuereinkünfte. Diese tragende Rolle bekommt unseres Erachtens nicht die Wertschätzung, die sie verdient und sie spiegelt sich auch nicht in den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen wider. Kündigungen am ersten Tag nach der Elternzeit, kein gleichwertiger Arbeitsplatz und weniger Gehalt beim Wiedereinstieg, abwertende Bemerkungen von Vorgesetztenbei Fehlzeiten aufgrund eines kranken Kindes – diese Fälle sind keine Seltenheit, sondern alltägliche Lebensrealität. Auch bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) häufen sich Beratungsanfragen und Beschwerden aufgrund von Benachteiligungen während Schwangerschaft und Elternzeit.
Warum werden Eltern Eurer Meinung nach heutzutage immer noch diskriminiert? Sollten wir nicht eigentlich viel weiter sein?
Karline: Ich glaube, das ist komplex. Zum einen sind es sicherlich festgefahrene Rollenbilder und Erwartungen an Eltern, die nicht so leicht zu verändern sind. Damit meine ich nur die Erwartungen, die von außen an Eltern herangetragen werden, sondern auch die, die Eltern sich selbst und untereinander vorhalten. Zum anderen herrscht in vielen Teilen der Wirtschaft, Gesellschaft und auch der Politik noch eine gewisse Skepsis gegen diverse Perspektiven und heterogene Teams. Das ändert sich allmählich. Aber erst wenn es überall wirklich als Gewinn verstanden wird, Themen und Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, wird sich dies auch nachhaltig ändern. Ich bin ganz optimistisch, dass unsere Kinder eine gerechtere und gleichberechtigtere Arbeitswelt erleben werden als wir dies tun.
Warum ist Euch das Thema so wichtig?
Karline: Es kann einfach nicht sein, dass Familien in einer Gesellschaft systematisch benachteiligt werden. Das können und wollen wir nicht akzeptieren. Eine Diskriminierung von Eltern hat ja auch eine breite Relevanz für alle Menschen in diesem Land. Familien sind die Stütze unserer Gesellschaft und Kinder unserer Zukunft. Wenn Menschen sich dagegen entscheiden, Kinder zu bekommen, weil sie das Gefühl haben, es sich nicht leisten zu können, noch einmal im Beruf auszusetzen, dann müssen wir uns ja alle, egal ob Eltern oder nicht, fragen: Wer kauft in zehn Jahren die Produkte der Unternehmen, die heute die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen sollten. Wer bedient uns in 30 Jahren im Restaurant und wer pflegt uns in 50 Jahren? Und nicht zu vergessen: Wer zahlt dann die Renten?
Wie kann man euer Anliegen unterstützen?
Karline: Aktuell ist unser oberstes Ziel, 50.000 Unterschriften unter unserer Petition zu sammeln. Daher wäre es toll, wenn alle Leserinnen und Leser unsere Petition unterschreiben und den Link weiterverbreiten, z.B. über die sozialen Netzwerke und Chat-Gruppen. Jede Stimme zählt! Und:Wir wollen ja nicht nur die gesetzliche Änderung erreichen, sondern auch eine Diskussion zu der Benachteiligung von Eltern im Job anstoßen. Also jeder und jede, der im Privaten oder Arbeitsleben über unser Thema redet, hilft uns auch. Und: Wir wollen natürlich auch immer wissen, was Ihr erlebt habt, also sowohl Negativbeispiele als auch solche, bei denen es richtig gut läuft. Also, folgt unseren Social Media Kanälen schickt uns Eure Erfahrung! Gemeinsam können wir etwas verändern.
Fotos: proparents