Da stehst du nun also in deiner roten Uniform. Mit weißen Söckchen und Lackschuhen, direkt wie aus einem 50er-Jahre-Film. Der einzige Unterschied ist nur, dass wir uns in der Gegenwart befinden, in Nordthailand.
Ab in die Thaischule
Hinter dem metallenen Schultor liegt ein Hof voller aufgeregter Kinder, die begeistert zum Ausgang und zu ihren Eltern strömen, die Schultaschen achtlos hinter sich herziehend. Da stehst du nun also, unser Gerade-noch-Kindergarten-, fast-schon-Schulkind. Mit von der Lehrerin kunstvoll geflochtenen Zöpfchen, und diesem bestimmten Blick aus Stolz und Verunsicherung. Wie die Lehrerin es geschafft hat, dich bewegungsfreudigen Wirbelwind zum Stillsitzen zu bringen, wird genauso ein Geheimnis bleiben, wie der genaue Ablauf deiner Schultage.
Klar ist, dass ab dem 2. Schultag sämtliche Lehrer*- und Schüler*innen deinen Namen kennen und dich begeistert und wild gestikulierend begrüßen. Ab jetzt sehen wir dich überall umringt von Kindern in roten Schuluniformen – auf dem Spielplatz, hinterm Schultor und beim Einkaufen in der Stadt. Klar ist auch, dass es hier völlig egal ist, dass weder du noch deine Eltern die Landessprache sprechen – es wird mit Händen und Füßen und mittels Google-Übersetzer kommuniziert und du im Zweifelsfalle einfach an die Hand genommen und ins richtige Klassenzimmer geführt.
Eine rote Uniform
Dieser sehr überraschende Weg in eine staatliche thailändische Schule beginnt harmlos – auf dem Spielplatz. Eine gute Freundin von dir ist umstandslos vom Unterricht auf die Rutsche umgestiegen und trägt ihre brandneue Uniform. Deine Augen werden groß. „Die will ich auch, Papa! Die ist rot!“ Ich lege den Kopf schief, überlege kurz und sage dann: „Das ist eine Schuluniform. Wenn du die tragen möchtest, musst du in die Schule gehen.“ Kurze Pause, ein prüfender Blick auf die Uniform. „Alles klar, mach ich.“
Ein Kind, ein Wort
Fast hätte ich gelacht, würde ich dich nicht so gut kennen. Wenn du eine Uniform möchtest, ist das keine verrückte Idee, die du nach 10 Minuten wieder vergessen hast. Und wenn es die Uniform nur als Schulkind gibt, dann wirst du eben Schulkind. Du drückst mir energisch die Hände in den Rücken und schiebst mich in die Richtung des Papas deiner Freundin. Ein bisschen skeptisch frage ich nach, ob denn die staatliche Schule überhaupt einen Platz frei hätte für dich. Erstaunlicherweise hat sie nicht nur Raum, der Papa bietet mir sogar begeistert an, mir bei der Registrierung zu helfen.
Mit Mimik und Gestik zum Ziel
So finde ich mich nur zwei Tage später in einem Anmeldungsbüro wieder. In Deutschland wurden uns seitenweise Kataloge zu Regeln und Besonderheiten der jeweiligen Schule zugeschickt, vor Schusswaffengebrauch bei Sechsjährigen gewarnt und der Essensplan in der Schulküche schon drei Jahre im Voraus übermittelt. Hier in Thailand gibt es erstaunlich wenig Regeln. Dass das Schuljahr schon angefangen hat? Kein Problem! Dass meine Tochter nur Englisch spricht, die Lehrer aber fast ausschließlich Thai? Kein Hinderungsgrund, sondern ein Anlass, mehr mit Mimik und Gestik zu arbeiten. Dass wir keine Ahnung haben, wo es die Uniform zu kaufen gibt? Macht nichts. Die Lehrerin, die unsere Anmeldung aufnimmt, bringt mich und Lola sogar selbst zum Laden, in dem nicht nur die Maße für die Uniformen abgenommen, sondern auch die mit „My Little Pony“-Schnallen verzierten Lackschühchen verkauft werden, die jedes Schulkind tragen muss. Meine Tochter bekommt die heiß ersehnte Uniform, die sie nur drei Tage später zu ihrem ersten Schultag stolz trägt.
Da steht meine Tochter nun also vor dem Schultor. So ganz ruhig, ganz anders als sonst. Irgendwie habe ich auf einmal das Gefühl, dass das noch nicht der letzte Schritt gewesen sein kann. Tatsächlich habe ich recht. Schon nach wenigen Monaten ändert sich Lolas Schulalltag ganz massiv.
Wie genau, darüber schreibe ich das nächste Mal.
Olaf Bernstein schreibt für Barrio über all die aufregenden Schul- und Lernabenteuer seiner Tochter. Seine Gedanken findet ihr auf seinem Blog, bei Instagram, bei Twitter oder schreibt er hier bei Barrio.