Ein Thema, was immer aktueller wird, aber trotzdem immer noch unter den Teppich gekehrt wird, wenn es irgendwie möglich ist. Ein Grund mehr, warum ich heute aus meiner eigenen Erfahrung berichten möchte. Ich wünsche mir, dass mein Bericht dazu beiträgt, dass es anderen Kindern nicht so geht, wie mir. Ich hoffe, dass vor allem die Erzieher*innen im Kindergarten und auch die Lehrer*innen in den Schulen endlich damit anfangen die Augen zu öffnen, richtig hinzuschauen und hinter den Mobbing-Opfern stehen, sie unterstützen, sie stärken und die Täter endlich bloß stellen, damit der Teufelskreis durchbrochen werden kann.
Meine Kindergartenzeit als Mobbing-Opfer
Ich erinnere mich noch wie heute an meine Kindergartenzeit, ich bin damals mit meiner Familie gerade aus dem Ausland nach Deutschland gezogen. Meine Eltern waren lange vor meiner Geburt ausgewandert und sind wieder zurück gekommen, weil ich in Deutschland in die Schule gehen sollte. Wir wohnen auf dem Land, hier kennt jeder jeden, klar, dass es sich da schnell rumgesprochen hatte, dass es Neue aus dem Ausland im Ort gibt. Und nein, im Kindergarten wurde ich nicht neugierig willkommen geheißen, die Kinder wollten von Anfang an nicht mit mir spielen, haben mich gehänselt und ausgegrenzt.
Auch andere hatten Angst vor dem Täter
Der Wortführer war der Sohn einer ortsansässigen Frauenärztin, alle kannten die Familie schon seit Jahren, viele Mamas waren dort Patientinnen in der Praxis und klar, dass man da nichts gegen ihren Sohn sagen wollte, sondern ich, der Neue, das Problem war. Das ging sogar so weit, dass es körperliche Angriffe von diesem Jungen und allen anderen gab, die vor ihm gut dastehen wollten, oder die sogar selbst Angst hatten von ihm geärgert zu werden, wenn sie mich nicht schikanieren würden. Sie haben mich geschupst, auf die Tische gestoßen, mich getreten oder mir ein Bein gestellt, damit ich hingefallen bin.
Oft hatte ich schon morgens Angst wieder hingehen zu müssen
Ich habe meiner Mama immer alles erzählen können, durfte auch zu Hause bleiben, wenn ich mich mal wieder gar nicht getraut habe hinzugehen. Meine Eltern haben mit den Erzieher*innen geredet und das nicht nur einmal, aber immer wurde alles so dargestellt, als sei es nicht so schlimm, wie ich es hinstellen würde oder es hieß, man habe mit den Kindern, vor allem der Jungsgang gesprochen, sie haben alle bestätigt, dass sie mich nicht geärgert hatten. Natürlich würden sie sich nicht selbst als die Täter*innen hinstellen und alle hielten zusammen.
Mobbing Täter*innen und ihre Bewunderer*innen halten zusammen gegen die Opfer
Einmal haben sie mich alle angespuckt und ausgelacht, als ich mir nicht mehr zu helfen wußte habe, ich zurück gespuckt und prompt haben sie mich verpetzt und ich habe den Ärger bekommen. Meine Eltern wurden einbestellt und die ganze Situation so hingestellt, als würde ich die anderen nicht in Ruhe lassen. Zum Glück habe ich Eltern, die zu mir stehen und mir alles geglaubt haben, so wie ich es erzählt habe. Was wäre damals aus mir geworden, wenn auch noch meine Eltern gedacht hätten, ich würde lügen?
Eltern haltet zu euren Kindern
Sie mußten sich mehr als einmal von Kindergärtner*innen oder dann von der Grundschullehrerin anhören, dass es ganz normal sein, wenn Kinder ihre Eltern belügen würden, und sie sollen nicht alles glauben, was ich so erzählen würde. Brauche euch nicht zu erzählen, dass die Situation immer schlimmer wurde und auch in der Grundschule weiterging, es waren ja die gleichen Kinder. Manchmal ging es für ein paar Tage gut, wenn gerade Fußball angesagt war, was die anderen tolle fanden oder der Hauptübeltäter krank war, da konnte ich dann mal Luft holen. Einige Kinder haben dann sogar mit mir gespielt, das waren die seltenen Momente, in denen ich glücklich war und das Gefühl hatte dazu zu gehören.
Mobbing ist Folge von Neid oder Ex-Mobbing-Opfer werden zu Tätern
Oft ist Mobbing eine Folge von Neid oder es sind Ex-Mobbing-Opfer, die anderen mobben, aber das ist keine Entschuldigung. Der Junge, der mich vom Kindergarten an, so übel gemobbt hat, war vermutlich nur neidisch, weil seine Eltern sich nicht um ihn gekümmert haben, seine Mutter hat ständig nur gearbeitet. Meine Eltern haben viel mit mir unternommen, wir sind zusammen in den Urlaub gefahren und ich bin auch oft in die Schule gebracht und abgeholt worden. Wir hatten immer einen sogenannten Montagskreis, da haben wir dann immer vom Wochenende erzählt oder nach den Ferien vom Urlaub. Ich habe lange nicht kapiert, dass ich da genau das erzählt habe, worauf sie neidisch waren. Als ich es gemerkt habe, habe ich im Montagskreis nichts mehr freiwillig erzählt.
Zeugen*innen sind selbst feige
Manchmal haben auch andere Kinder mitbekommen, wie ich gemobbt wurde, wie die anderen mich geschlagen haben oder beleidigt. Sie haben mir dann versprochen, dies der Kindergärtnerin oder der Lehrerin zu sagen und zu mir zu stehen, damit ich einen Zeugen habe. Ich wisst es schon, nur in den seltensten Fällen haben sie es dann auch getan. Das war dann für mich ein zusätzlicher Schlag. In kleineren Gemeinden sind oft auch die Eltern befreundet und da dürfen, dann die Kinder auch nichts gegen den Sohn oder die Tochter der Freunde sagen, selbst wenn sie Dinge genau gesehen oder gehört haben.
Anders reagieren als es der Täter erwartet
Meine Mutter hat immer gesagt, Du mußt so auf das Mobbing reagieren, wie die anderen es nicht erwarten. Wenn sie merken, dass Du Dich ärgerst und traurig bist, machen sie weiter. Wenn Du aber ganz anders reagierst, hören sie irgendwann auf. Ich habe das ja auch kapiert, aber wenn man dann alleine in der Situation ist, kann man es nicht umsetzen. Besonders schlimm war es für mich immer, wenn die anderen meine Eltern beleidigt haben oder Lügen über sie erzählt, da konnte ich nicht ruhig bleiben.
Ohne Freunde ist Mobbing besonders schlimm
Wenn man in solchen Situationen keinen richtigen Freund*in hat, der zu einem hält und einen unterstützt, ist es kaum auszuhalten. Aber keiner traut sich dein Freund zu sein, denn er will ja nicht in die gleiche Situation kommen. Wacht endlich auf, Mobbing ist kein Spiel oder ein bisschen ärgern unter Kindern, sondern psychischer Terror nicht selten mit körperlichen Angriffen. Kinder, die bereits im Kindergarten gemobbt werden, werden dies auch in der Grundschule und nicht selten ihn ihrem ganzen weiteren Leben. Man wird immer unsicherer, in sich gekehrter, trauriger und hilfloser und strahlt das natürlich aus und schon geht der Terror weiter.
Mobbing endet nicht selten im Suizid
Mobbing ist ein ernstzunehmendes Problem in unserer Gesellschaft, nicht selten endet Mobbing in Selbstmord. Fangt endlich damit an die Opfer zu schützen, sie zu stärken und ihr Leben wieder lebenswert zu machen. Dazu ist es allerdings nötig genau hinzuschauen, nicht auf die eigenen Interessen zu achten und sich zu trauen, tätig zu werden, auch gegen alle anderen. Eltern, redet mit Euren Kindern, glaubt ihnen, vertraut ihnen, stärkt ihr Selbstvertrauen und seid vor allem immer für sie da.
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