Enttäuschung verarbeiten und überwinden: Es gehört zum Leben dazu und beginnt schon kurz nach der Geburt – natürlich dann noch unbewusst. Werden Kinder größer, wachsen damit auch Ansprüche und Vorstellungen. Gleichzeitig offenbart dies neues Potenzial für weitere Enttäuschungen. Wie Kinder Enttäuschungen verarbeiten und was Eltern tun können, klären wir jetzt.
Wie entstehen Enttäuschungen?
Ermitteln wir zunächst, wie es überhaupt zu einer Enttäuschung kommen kann. Der Ablauf fällt immer gleich aus:
- Wir entwickeln eine Erwartungshaltung. Ein Kind könnte sich etwa freuen, heute an den See zu fahren, weil die Eltern es versprochen hatten.
- Die Erwartung wird enttäuscht: Die Eltern können den Ausflug an den See nicht umsetzen, es ist etwas dazwischengekommen.
- In der letzten Phase wird das Kind dieses Erlebnis nun verarbeiten. Wie es das genau macht, hängt von der Persönlichkeit des Kindes ab.
Einige Kinder gehen nach einer kleinen oder großen Enttäuschung in ihr Zimmer, verbarrikadieren sich und möchten niemanden sehen oder hören. Andere wiederum tragen ihren Frust nach außen und explodieren förmlich. Weder die eine noch die andere Art, das Erlebte zu überwinden, ist falsch.
Welche Art der Enttäuschung finden Kinder am schlimmsten?
Für Kinder ist stets das akute, aktuelle Drama, das sich um sie herum abspielt, mit den stärksten Emotionen verbunden. So kann es beispielsweise passieren, dass der Tod eines Haustieres als wesentlich schlimmer empfunden wird als der Tod der Oma. Sie wohnt weit weg und das Kind sieht sie nur einmal im Jahr.
Kindern fehlt die Fähigkeit, Verluste dieser Art in einen größeren Kontext zu setzen. Was sich vor ihren Augen abspielt, ist immer das größte vorstellbare Unglück.
Hier sollten Eltern vorsichtig sein: Erwachsene machen schnell den Fehler, die eigenen Werte und Vorstellungen auf die der Kinder zu übertragen. So relativieren wir etwa den Tod des Haustieres mit Sätzen wie: „Wenn du erwachsen bist, hast du das vergessen.“ Bis dahin liegt aus Kindersicht jedoch eine unvorstellbare Zeitspanne vor ihnen. Mit einer solchen Aussage kann das Kind nichts anfangen, weil es sie gar nicht begreift.
Trennung: eine frühe potenzielle Katastrophe in der Kindheit
Für junge Kinder sind Eltern das stabilisierende Element im Leben. Egal was passiert: Auf Mama und Papa kann ich mich immer verlassen.
Dieses Denken ist der Grund, warum Kinder überhaupt in die weite Welt hinausziehen und sich entwickeln können. Persönlichkeitsentwicklung setzt voraus, dass Kinder hin und wieder ins kalte Wasser geschmissen werden. Was ist Schule? Was ist der Fußballverein? Wer ist meine neue Freundin?
Diese neuen Bereiche im Leben können nur mit Sicherheit und Ruhe erkundet werden, wenn zu Hause der bekannte Rückzugsort wartet. Eltern erleben das in jeder Situation, in der das Kind mit einem neuen Erlebnis konfrontiert wird. Weiß das Kind nicht genau, was vor sich geht, versteckt es sich hinter Mama oder Papa.
Dieses vermeintlich unerschütterliche Bollwerk gegen alles Böse in der Welt zerbricht, wenn es zu einer Trennung der Eltern kommt. Es ist extrem fordernd für die Kinder, diesen Schlag zu überwinden. Einige verarbeiten diese Erfahrung über ihr ganzes Leben hinweg und haben daran zu knabbern.
3 Tipps, um Enttäuschungen zu verarbeiten
Hilfreich aus Sicht der Eltern sind unter anderem die folgenden Hilfestellungen:
- Mach dich nicht lustig über die Empfindungen deines Kindes
Spricht sich das Kind aus, wirken manche dargelegten Enttäuschungen mit den Augen einer erwachsenen Person wie eine Lappalie. Es gilt jedoch: Nicht die eigene Sichtweise entscheidet, sondern die des Kindes. Kinder bringen teilweise absurde Gründe an: „Mein Frühstücksei war nicht so groß wie das meines Bruders und deswegen ist mein Tag jetzt ruiniert.“
Versuche jedoch stets zu verstehen, was genau hinter diesem Empfinden steckt (vielleicht fühlt sich das Kind weniger wertgeschätzt, weil das Frühstücksei kleiner war), um angemessen zu reagieren. - Versuche es nicht unbedingt mit Vernunft
Kinder sind nicht gut darin, ihre Emotionen zu regulieren. Kleinste Misserfolge wirken wie Katastrophen. Sätze wie: „Reiß dich doch einfach zusammen„, helfen meistens nicht, da das Kind diese Kunst noch gar nicht beherrscht.
Eine wertschätzende Kommunikation mit Kindern würde hingegen darauf abzielen, den Ärger nach Enttäuschungen als normal einzustufen. Vermittele Sicherheit eher auf emotionaler Ebene (etwa Umarmungen oder Berührungen, die das Kind mag). - Biete Lösungsvorschläge an, um den Rückschlag zu verkraften
Unser oben genanntes Beispiel mit der Fahrt an den See könntest du vielleicht so nutzen: „Dafür fahren wir nächste Woche bestimmt an den See und abends gucken wir uns einen tollen Film an.“ Trostpflaster funktionieren in der Regel, da sie einen neuen Grund zur (Vor-)Freude geben und das Kind erkennt, dass den Eltern etwas an ihm liegt.
Enttäuschungen einen neuen Kontext geben
Wie bereits erwähnt, entstehen Enttäuschungen, weil Erwartungen nicht erfüllt werden konnten. Das Kind bekommt ein Fahrrad, aber kann damit wider Erwarten noch nicht fahren. Ein neues Spielzeug wurde angeschafft, das aber am Ende doch keinen Spaß macht. Schnell sind Kinder in diesen Momenten frustriert, weil sie annehmen, dass alles ganz schnell gelingen muss.
Um eine solche Enttäuschung abzufedern, kann es helfen, bereits erlebte positive Erlebnisse ins Gedächtnis zu rufen. „Als du gelernt hast, zu schwimmen, hast du doch auch mehrere Anläufe gebraucht. Und jetzt kannst du schon schwimmen, lesen…„, und dergleichen mehr.
So rufst du dem Kind ins Gedächtnis, dass es doch schon viele Dinge beherrscht und impfst ihm damit früh ein, dass viele Aufgaben erst mit Übung zu meistern sind.
Führe, sobald das Kind reif genug dazu ist, in diesen Momenten auch ein Gespräch mit dem Kind. Mache ihm klar, dass Enttäuschung zu verarbeiten und zu überwinden, ein großer Teil des Lebens ist. Im Laufe der Jahre nimmt das Kind Enttäuschungen dann nicht mehr mit derselben emotionalen Wucht wahr, sondern empfindet sie sogar als Ansporn, aus eigenen Misserfolgen zu lernen.
Der wichtigste Tipp kommt natürlich am Schluss: Lass dein Kind mit seinen Enttäuschungen – ob klein oder groß – nicht allein. Möchte es gerade nicht reden, ist das in Ordnung. Du solltest jedoch vermitteln, dass du immer da bist, falls Nähe- oder Redebedarf besteht, um so auch für dich selbst die wertschätzende Kommunikation mit Kindern zu lernen.
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Text: Beziehungscoach Jörg Scholler von LiebesMeer
Jörg Scholler – Autor, Coach für Beziehungsprobleme und Gründer von LiebesMeer.de