Die meisten Eltern von Krippen- und Kindergartenkindern haben es schon erlebt: der große Trennungsschmerz beim Bringen.
Kennst du das auch? Dein Kind klammert sich verzweifelt an dich, weint, schreit und je schneller du dieses Drama beenden möchtest, umso schlimmer scheint es zu werden. Verlässt man dann fluchtartig die Kita, um es seinem Kind und sich selbst nicht noch schwerer zu machen als nötig, meldet sich dann meist auch noch das schlechte Gewissen. Wer will schon sein weinendes Kind zurücklassen?
Ich erinnere mich noch sehr genau an diese Zeit, als sich mein heulender Erstgeborener verzweifelt an mein Bein geklammert hat und die Erzieherin sanft aber bestimmt den Klammergriff gelöst hat. Meine „Flucht“ aus der Kita und die Verzweiflung in den Augen meines Sohnes.
Mir hat es sehr geholfen zu verstehen, wo der Trennungsschmerz herkommt und wofür er gut ist.
Im Laufe ihrer Entwicklung lernen Kinder ständig Neues. Das ist einerseits spannend, verunsichert aber auch – man weiß ja nicht, was da alles auf einen zukommt. Entwicklungsschritte sind daher oft von alterstypischen Ängsten begleitet. Angst ist eine normale Reaktion auf eine akute oder vorgestellte Gefahr.
Bei den meisten ein- bis zweijährigen Kindern zeigt sich beim Abschied diese Angst in unterschiedlicher Ausprägung als Trennungsschmerz.
Das Kind versteht noch nicht, warum es getrennt wird, es kann nicht einschätzen, wie lange die Trennung dauern wird. Es weiß noch nicht, dass die Eltern es wieder abholen werden. Es ist also verständlich, dass es sich gegen die Trennung erstmal wehrt.
Das ist besonders in der Phase der Eingewöhnung zu beobachten: nachdem das Kind mehrmals erlebt hat, wie es von den Betreuungspersonen liebevoll getröstet wird und wie sich die Eltern beim Abholen über das Wiedersehen freuen, legt sich die Angst wieder und das Abschiednehmen fällt bald leichter. Dabei hat jedes Kind einen eigenen Rhythmus, es kommt sehr stark darauf an, wieviel Vertrauen das Kind in seine Bindung zu den Eltern bislang aufbauen konnte.
Veränderungen im Umfeld können auch nach der Eingewöhnung wieder zu „Rückfällen“ führen. Zum Beispiel der Wechsel in eine andere Kita-Gruppe oder in einen anderen Kindergarten wecken beim Kind das mulmige Gefühl der Angst. Dieses Gefühl ist in positiver Hinsicht dafür verantwortlich, dass das Kind erstmal vorsichtig ist und das ist genau richtig. Hat es erkannt, dass keine Gefahr besteht, verschwindet auch die Angst wieder.
Loslassen fällt nicht nur dem Kind schwer, es kann den Eltern aus unterschiedlichen Gründen genauso gehen. Vielleicht sind sie unsicher, ob sie sich für die richtige Betreuungseinrichtung und -situation entschieden haben oder haben Sorge, wichtige Entwicklungsschritte zu verpassen.
Es kann auch sein, dass Dinge im häuslichen Umfeld das Kind verunsichern, weil es sie nicht versteht. Dann sucht es grundsätzlich die Nähe der Eltern, ihr wichtigster Halt, und eine Trennung fällt ihnen schwer.
Je kleiner Kinder sind, desto mehr spüren sie innere Unruhe bei ihren Eltern. Das kann ein bevorstehender Arbeitsplatzwechsel sein, Sorgen, Stress in der Paarbeziehung. Besonders ein neues Geschwisterchen verändert das Zusammenspiel zuhause und verunsichert jedes Kind.
Auch besondere Vorkommnisse in der Kita wirken sich auf das Kind aus und können die Trennung morgens erschweren.
Was macht den Kita-Start leichter für alle?
Offene Kommunikation und Vertrauen
Sind Eltern verunsichert und glauben, dass etwas nicht gut läuft, dann spüren das die Kinder Ein guter Draht zu Erzieher*innen hilft, um Unsicherheiten schnell zu klären. Es kann kontraproduktiv wirken, wenn die Eltern aus Unverständnis und Hilflosigkeit heraus unfreundlich reagieren. Das verunsichert die Kinder und kann auch die Beziehung zwischen ihnen und den Erzieher*innen negativ beeinflussen.
Wenn offen besprochen wird, was momentan wichtig im Leben der Kleinen ist, können die Betreuer*innen besser mit dem Trennungsschmerz umgehen.
Rituale etablieren
Oft können kleine Rituale helfen, leichter in den Kita-Alltag eintauchen zu können. Je nach Ereignis und Gefühlslage des Kindes kann es wichtig sein, dass es noch eine Weile auf dem Arm „auftankt“, oder sein Lieblingsbuch oder -spielzeug braucht. Manche Kinder kommen besser an, wenn sie eine Kleinigkeit essen oder ihre Freunde gesehen haben.
Den Schmerz anerkennen und aushalten
Wichtig ist, dass die Erwachsenen den Schmerz des Kindes anerkennen und es im Idealfall noch so lange bei der Mutter/dem Vater klammern und kuscheln lassen, wie es die Zeit erlaubt. Am besten in der Gewissheit, dass es schon vom Schoß rutschen wird, wenn es bereit ist.
Mehr Zeit einplanen, Verständnis zeigen
Die Eltern können sich beispielsweise in einer schwierigen Bring-Phase etwas mehr Zeit einplanen, um in Ruhe anzukommen. Da können schon 10-15 Minuten einen großen Unterschied machen.
Manchmal hilft auch das nicht und Vater oder Mutter muss nun mal in die Arbeit. Es kann den Kindern in diesem Augenblick schon weiterhelfen, wenn wir den Trennungs-Schmerz nicht als „Austesten“ oder „Theater“ abtun mit „Stell dich nicht so an!“. Stattdessen hilft Verständnis auch in dieser Situation: „Ich sehe deine Not. Ich kann dennoch nicht bleiben, weil ich zur Arbeit gehen muss und bitte dich, mit deiner Betreuungsperson Ruhe zu finden. Ich hole dich später ab und freue mich darauf.“
Den Unterschied finden
Eine Möglichkeit kann auch sein zu testen, mit welchem Elternteil das Bringen (im Augenblick) besser funktioniert. Gleichzeitig können sich beide gemeinsam überlegen, welche Unterschiede im Ablauf oder auch bei der inneren Einstellung es geben könnte. Vielleicht hört der eine immer Musik im Auto? Vielleicht ist der Vater entspannter damit, das Kind weg zu geben oder die Mutter hat innerlich keine Zweifel daran, dass es gut funktioniert, weil sie ein großes Vertrauen in die Erzieher*innen hat? Kinder haben unglaublich feine Antennen und spüren intuitiv diese Einstellung. Das wirkt sich dann auch auf das Verhalten des Kindes aus.
Mir bewusst zu machen, dass mein Sohn sehr sensibel auf meine inneren Zweifel reagiert, hat bei mir den Schalter umgelegt. Ich hatte Sorge, dass er noch zu klein für die Kita ist und ich zu früh wieder arbeite. Das hat er gespürt. Also habe ich mir mehr Vertrauen in meine Entscheidung verordnet und uns zwei Wochen lang mehr Zeit zum Ankommen eingeräumt. Ich Nach einigen Tagen war die Trennung kein Problem mehr, die Angst hatte sich auch bei ihm gelegt.
Liebe Grüße
Claudia Vucak
Ihr könnt Claudia auch unter Linkedin kontakttieren.
Mehr Beiträge von Claudia Vucak könnt ihr hier nachlesen.