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…oder warum Eltern die effizientesten ArbeiterInnen sind, die ich kenne

Diesen Artikel schreibe ich in der dunklen Stunde zwischen Aufstehen und Frühstück. Ich habe dann meist eine halbe Stunde, um nachzudenken und im Tag anzukommen, während meine Tochter ein paar Kerne isst und YouTube Kids schaut. Wenn ich vor acht Uhr morgens schon gearbeitet habe, fühle ich mich gut. Es kann nämlich sein, dass ich den Rest des Tages nicht mehr dazu komme, zu arbeiten. Weil ich zu beschäftigt bin.

Zwischen Wildtierdompteur und Wikipedia

Irgendwie hält sich in hartnäckig uninformierten Kreisen das Vorurteil, Eltern wären faul. Es hagelt Kommentare wie: „Du hast Elternzeit? Ach wie schön, den ganzen Tag zu Hause spielen!“ oder „Oooh, auf den Spielplatz möchte ich auch mal wieder gehen! Das ist ja wie Urlaub!“ Nun ja. Das kann ich aus persönlicher Erfahrung nicht bestätigen. Zum einen ist die Beschäftigung mit einem sich gerade entwickelnden Kindergehirn, das zudem noch in einem sehr wilden Kleinkindkörper steckt, eine Herausforderung irgendwo zwischen Wildtierdompteur und Wikipedia: „Mama, Papa, warum regnet es?“ (Fuß ins Gesicht des gerade anwesenden Elternteils.) Tja, äh. „Woraus bestehen Regenbögen?“ (Fuß in den Magen.) Äh, tja. Also, wo war ich? Richtig. Auch auf dem Spielplatz findet also Arbeit statt: Recherche für mögliche und unmögliche Fragen, Architektur von Sandburgen samt der Orga-Planung, wer gleich fürs Abendessen einkauft und ob noch genug Windeln da sind. Stichwort: Mental Load.

Wir führen ein höchst erfolgreiches, kleines Familienunternehmen

Zum anderen ist da aber auch noch der eigene Beruf. Es ist ja nicht so, dass wir Eltern weniger arbeiten würden, nur weil ein Kind da ist (oder gar mehrere). Im Gegenteil. Zum Berufsalltag kommt jetzt einfach noch die Lebensplanung einer neuen Person dazu. Es ist wie in einer WG, in der der neue Mitbewohner nicht nur nicht weiß, wo die Teller hinkommen, er hat auch noch nie abgewaschen und wird das voraussichtlich auch die ersten drei Jahre nach Einzug nicht erlernen können, aller Frühförderung zum Trotz.

Vor einigen Jahren gab es mal diese Fernsehwerbung mit einer Mama, die auf einer Firmenfeier (vermutlich der ihres Mannes) von dessen hochnäsigen Freunden gefragt wird: „Und, was machen Sie so beruflich?“ Der armen Mama fehlen kurz die Worte, weil ihr spontan nur Alltagsszenen in den Kopf kommen: Wäsche waschen, Kinder verarzten, Schulbrote schmieren. Aber dann erhellt sich ihr Gesicht, und sie sagt: „Ich führe ein höchst erfolgreiches kleines Familienunternehmen.“ Wofür eigentlich geworben wurde, habe ich völlig vergessen, aber der Satz ist mir im Gedächtnis geblieben. Er ist nämlich – immer noch – die perfekte Antwort auf die Frage, ob Eltern denn wirklich arbeiten würden. Also, jetzt mal ganz unter uns, im Ernst.

Die Antwort: Ja, das tun sie – und zwar unglaublich gut!

Ich wage jetzt einfach mal eine steile These: Eltern arbeiten effizienter als jede andere Berufsgruppe, die mir bekannt ist, Wildtierdompteure eingeschlossen. Einfach, weil sie müssen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der kleine, aber feine Unterschied zwischen „effektiv“ und „effizient“. Es ist grundsätzlich genauso effektiv, also wirkungsvoll, einen Baum mit einem Brotmesser oder einer Kettensäge abzuholzen, das Ergebnis (ein Baum weniger) ist dasselbe. Im Hinblick auf die Effizienz, der Leistungsfähigkeit also, wird aber auch der Wohlmeinendste der Kettensäge den Vorzug geben. Eltern sind so etwas wie die Kettensäge der Arbeitswelt: Schnell und auf das Ergebnis hin ausgerichtet.

Wenn es morgens kein Frühstück gibt, hungert das Kind auf dem Weg zum Playdate. Wenn aber morgens keine Arbeit geschafft wird, gibt langfristig gesehen auch kein Frühstück. Das motiviert ungemein.

Ungestörtes Arbeiten ist wie ein doppelter Espresso

Wir haben nicht die Muße, Zeit mit Bewerbchen oder Kaffee trinken zu verbringen, wie es jeder normale Arbeitnehmer im Laufe eines Acht-Stunden-Tages zwangsläufig tut, weil niemand, der geistig gesund ist, acht Stunden am Tag wirklich konzentriert arbeiten kann. Eltern, die wie wir aus Effizienzgründen freiberuflich von zu Hause aus arbeiten, genehmigen sich eher „Power-Works“, die ich analog zu „Power-Naps“ erfunden habe: Erfrischende, kurze Arbeitsphasen ohne Kinderunterbrechung, die revitalisieren wie ein doppelter Espresso.

So bleibt genug Zeit für den Haushalt. Katharina von kinderleute.de hat sich einmal den Spaß gemacht, aufzulisten, wie viele ungesehene Stunden Hausarbeit wir Kettensägen-Eltern im Alltag so nebenher „erwirtschaften“. Um es kurz zu machen: Es ist enorm. Sie kommt auf 49 Stunden, und da ist die mit den Kindern verbrachte Zeit noch gar nicht mitgezählt (sonst sind es 64). Ich persönlich brauche meine „Power-Works“, damit ich meine Zeit auch mit etwas verbringe, das exklusiv meinem Gehirn gehört…

Während ich hier schreibe, hat sich mein Kind wieder komplett ausgezogen und bewirft mich mit M&Ms aus ihrem Adventskalender. Die eigentliche Arbeit des Tages kann beginnen.

Link zu Katharinas Artikel:  https://www.kinderleute.de/haushalt/

Olaf Bernstein

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