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Ich habe das Gefühl, mit dem Eltern-Game ist das so wie mit einem guten Computerspiel. Man denkt, man hätte es endlich gemeistert, und dann gibt es mit einem Mal ein Update und man steht genauso ratlos da wie bisher.

Mein Kind ist die Norm – oder?!

Als mit einem Einzelkind verheiratetes Einzelkind, das nur ein einziges Kind hat, neige ich dazu, viel zu kleine Stichproben unsachgemäß zu verallgemeinern. Will sagen: Was meine Tochter denkt und tut, ist das Maß aller Dinge – im Guten wie im Schlechten. Mit ein paar Wochen anfangen zu sprechen? Muss ja normal sein. Immer auf die höchste Spitze beim Klettergerüst krabbeln wollen? Das wollen vermutlich alle Kids. Diese intensiven Gefühle und Stimmungen? Ach, jedes Kind hat mal einen gefühlsstarken Tag.

Ein Kind ist kein Kind?

Mittlerweile begreife ich, was Eltern, die mehrere Kinder haben, mit dem Spruch „Ein Kind ist kein Kind“ meinen. Nicht in dem Sinne, dass ein Kind keine Herausforderung darstellt oder Care Arbeit bindet (das tut es sehr wohl), sondern dahingehend, dass das Leben mit mehreren Kindern einfach ganz ganz unterschiedlich funktioniert – gerade weil das zweite Kind häufig total anders ist als das erste. Mit einem Kind kann man einfach noch nicht sagen, wohin die Reise geht als Familie. Also fand ich es früher normal als klassischer Ein-Kind-Papa, dass mein Kind sich eben nicht für Giftpflanzen, bunte Reinigungsflüssigkeit oder Wechselstrom interessierte. Sicherheitsbelehrungen oder sorgenvoll durchwachte Nächte? Waren hier überflüssig. Der Schock der einmal zu heiß glühenden Herdplatte, die eine Begegnung mit Lolas Handfläche machte, reichte aus. Herdplatten sind bis heute tabu. Mit so viel Selbstkontrolle beim Kind scheinen Kindersicherungen überflüssig.

Andere Kinder tun andere Dinge

Dachte ich jedenfalls. Als Einzelkind-Elternteil neige ich aber nicht nur zu Überschätzung, was die Fähigkeiten meines eigenen Nachwuchses angeht. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass andere Kinder schlicht andere Dinge tun als mein Kind. Nun habe ich keine weiteren Kinder, und es sind auch keine in Planung, aber dafür Freunde mit Nachwuchs in allen gängigen Altersklassen.
Darunter befindet sich ein Kind, dass sich mit einer Zielstrebigkeit Putzmittel, Steckdosen und allen verschluckbaren Kleinteilen nähert, dass ich einen Bodyguard für mehr als angemessen halte. Nach nur 10 Minuten im Haus mit diesem Kind war ich komplett nass geschwitzt vor Angst, hatte mit Hilfe des Toddlers mehrere lange vergessene Nähnadeln und Klemmbrett-Steine gefunden und war wirklich erstaunt, wie präzise dieses Krabbelkind ermitteln konnte, wo sich der Fliesenreiniger befand.

Es gibt keine Norm

Seit dieser Erfahrung bin ich noch ein bisschen zurückhaltender geworden, was Vorstellungen wie
„altersgerechte Entwicklung“ oder die „Norm“ angeht. Bestimmte Dinge, die einfach nie Thema in
unserer persönlichen Elternschaft waren (wie beispielsweise klassische Kindersicherungen), sind
für uns Erwachsene wie ein blinder Fleck. Sie können aber dennoch die Alltagsrealität bei ganz
vielen Familien sein. Ganz ohne Zwänge, einer Norm zu folgen.

Olaf Bernstein grübelt nicht nur auf Barrio über sein Leben nach, sondern auch auf Instagram, seinem Blog und bei Twitter.