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Unzählige Menschen aus der Ukraine sind auf der Flucht vor den russischen Bomben und kommen – auf der Suche nach einem sicheren Ort – auch nach Deutschland. Die Welle der Hilfsbereitschaft ist riesig. Viele Privatleute stellen Schlafplätze zur Verfügung. Unter ihnen sind auch Stefanie & Stefan Rupp mit ihren zwei Söhnen Benedikt (8) und Ferdinand (5). Wir haben mit Stefanie über ihren neuen Alltag und ihre Erfahrungen gesprochen. 

Am Wochenende nachdem Russland die Ukraine überfallen hat, saßen mein Mann und ich völlig niedergeschlagen im Wohnzimmer. Die Bilder im Fernsehen und Social Media waren so bedrückend, dass uns schnell klar wurde, dass wir nicht nur Geld spenden, sondern auch auf ganz praktische Weise helfen wollten, indem wir Wohnraum für Flüchtende zur Verfügung stellen. Wir haben im Untergeschoss Stefans Arbeitszimmer mit einem Doppelbett, zu dem ein eigenes Badezimmer gehört.

Das wollten wir zwei Personen zur Verfügung stellen und boten die beiden Schlafplätze auf der Plattform von „Wir Münchner Freiwillige helfen“ an – zugegebenermaßen mit leichtem Herzklopfen, denn wir wussten ja nicht, was auf uns zukommen würde. Nachdem sich innerhalb der ersten 48 Stunden niemand meldete, habe ich einer Bekannten von mir auch gesagt, dass wir gerne aufnehmen. Sie meldete sich gleich am nächsten Tag.

Unsere Bekannte ist Russin – sie kam mit 3 Jahren schon nach München und hilft als Übersetzerin, da sie sich für ihr Heimatland schämt. Sophia, unsere Bekannte, schickte mir Bilder vom Bahnhof und von der Messe in München. Dann rief sie an und fragte, ob wir auch eine Mutter mit 2 Töchtern nehmen würden. Wir sagten zu, ohne zu zögern.  45 Minuten später, um 22 Uhr standen dann: Karina (45), Mascha (15) und Katja (12) vor unserer Tür. Sie waren schüchtern, tasteten sich langsam vor und wir sahen ihnen die Unsicherheit, Angst und Anspannung klar an.  Sie hatten lediglich drei Rucksäcken und 2 größere Einkaufstaschen bei sich. 

Am nächsten Morgen haben wir zusammen gefrühstückt und da war dann die Anspannung schon etwas verflogen. „Endlich konnten wir mal wieder schlafen – im Lager war es immer so laut, da viele Kinder in der Nacht weinten.“ Diese Antwort habe ich auf der Übersetzungs-App gelesen, auf meine Frage wie die drei geschlafen haben. Karina und ich kommunizieren nur über die Übersetzungs-App, doch zu unser beide Überraschung funktioniert es extrem gut. 

Flucht ist für unsere Gäste leider nichts neues – in 2014 ist die Familie schon aus  Slowjansk in Donezk, dem russischen Separatistengebiet, geflohen. Keine 8 Jahre später fliehen sie vor dem Krieg in der Ukraine. Ihre Zugfahrt hat 36 Stunden gedauert – sie saßen am Boden, dich gedrängt. 

Karina ist unfassbar dankbar, dass sie und ihre Töchter in Sicherheit sind. Sie kochen nun oft das Abendessen für uns und wir genießen es ganz neue Gerichte kennen zu lernen wie Borschtsch, Reissuppe etc. – und sie schmecken uns allen sehr gut. Ich habe auch das Gefühl, dass sie froh sind, sich über das Essen ein Stück Heimat hier her holen zu können. Auf meine Frage mal beim Mittagessen, ob sie schon mal in meiner Heimat Österreich oder eben hier in Deutschland waren, antwortete Katja: „Wir haben die Ukraine noch nie verlassen, und hätten es ohne den Krieg wahrscheinlich auch nicht getan.“ 

Wir werden oft gefragt, für wie lange unsere Gäste bleiben werden. Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Vielleicht 6 Wochen – und vielleicht länger. Es läuft so gut und ist so unkompliziert. Die Unterbringung bei uns zuhause ist sicher keine Lösung für die nächsten zwei Jahre. Dazu habe ich ohnehin den Eindruck, dass viele nicht gekommen sind, um zu bleiben, sondern um abzuwarten bis der Krieg vorbei ist. Man darf nicht vergessen: Alle hatten vorher ein Leben in der Ukraine. Katja ist Krankenschwester in einem Kinderkrankenhaus. Dazu ist ihr Mann noch in der Ukraine – er versorgt seine alte Mutter, die nicht fliehen wollte. Und da sind noch ihre beiden Hunde, für die die Flucht zu anstrengend gewesen wäre. 

Mein Mann Stefan arbeitet nun wieder aus dem Büro aus und ich verbring die Mittagspause nun oft mit unseren drei ukrainischen Gästen. Es bereichert mich ungemein und ich bin dankbar, so eine nette Familie bei uns zu haben. Zu erahnen, was die Familie durchmacht, hat auch unseren Blick auf die Welt verändert. Die Situation erdet uns, wir sind dankbarer geworden. Mein Mann, mir und den Kindern wird jeden Tag aufs Neue deutlich vor Augen geführt, dass wir in einer Bubble der Glückseligkeit leben. Das Teilen, das Zusammenrücken, das Sich-Arrangieren ist auch für unsere Kinder eine gute Erfahrung. 

Ich bin begeistert, wie viele Familien helfen und diesen Schritt gegangen sind. Es berührt mich sehr zu sehen, wie hilfsbereit auch die Menschen in diesen Zeiten sind. Ich kann nur appellieren: Wenn ihr die Möglichkeit habt dann traut euch, man kann nichts falsch machen.

Wir danken Stefanie & Stefan Rupp für ihren Bericht zur Aufnahme von Flüchtlingen.

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