Teile diesen Beitrag  

Teil 1: Das ihr euch nicht schämt!

Wir haben während der Coronazeiten wirklich viele Coronaregeln mitgemacht. Wir hatten einen Einkaufsbeauftragten im ersten Lockdown, als nur eine Person das Haus verlassen sollte. Die Kontakte so stark auf online reduziert, dass wir gar nicht mehr wissen, wer von unseren Freunden noch Beine hat und mit Oma und Opa Kniffel über Zoom gespielt. Wir, das sind mein Mann und ich, zwei große Kinder mit 18 und 19 Jahren und zwei kleinere Kinder mit 9 und 5 Jahren – ein Haushalt, der durch die viele enge gemeinsame Zeit trotz Homeschooling, Homeoffice und Home-Everything stärker zusammen gewachsen ist. Ich bin stolz auf die ganze Bande – wir haben das bislang wirklich super hinbekommen.

Moral gegen Meeresrauschen

Das muss doch eigentlich auch einmal belohnt werden. Als der Ausnahmezustand ins zweite Jahr ging wurden die Rufe nach Urlaub, nach Strand, nach einfach mal raus dann lauter – eigentlich unüberhörbar.
Nach einigem Ringen der Werte gegen die Bedürfnisse, der Solidarität gegen die Sandburg und der Moral gegen das Meeresrauschen haben wir zehn Tage in Dubai gebucht. Und: nö, wir haben uns nicht geschämt!

Froh gemut und frisch getestet flogen wir in die Sonne, verbrachten herrliche Tage in der Wüste auf Kamelrücken und zwischen Sanddünen. Bauchtänzer*innen und Feuerschlucker*innen verzauberten die Kinder. Der köstliche Hummus brachte zu Ende, was Corona begonnen hatte – uns immer weiter von der Bikinifigur zu entfernen. Aber was soll´s! Die Glitzerwelt Dubais und ein disneyartiges Wasserparkpalasthotel war unsere nächste Station. Jedes klardenkende Elternteil hat jetzt sicherlich den eigenen Horrorfilm vor Augen. Also muss ich das nicht näher beschreiben. Aber wisst ihr was? Auch das fanden wir alle toll. Naja, sagen wir – die meisten. Der obligatorische PCR-Test 48h vor der Abreise stellte das Hotel freundlicherweise kostenfrei und ganz gemütlich durchgeführt im pandemiebedingt derzeit nicht genutzten Ballsaal. Das Ergebnis würde dann in Dubais Corona-App, die alle Einwohner*innen oder Besucher*innen verpflichtend installieren müssen, gezeigt, käme aber auch per Mail oder Whatsapp. Easy-Peasy.

Und der Alptraum beginnt

Mit dem Klingeln des Zimmertelefons morgens um halb acht beginnt dann der Alptraum. „Missus, missus, you have positive Corona Test!“. Meine Antwort kam kurz und schnell „No!“
Diese Antwort ist auch richtig. Positiv getestet ist meine große Tochter, die anderen Erwachsenen sind „presumptive positive“. Presumptive positive – was für ein Blödsinn. Halbschwanger? Oder wie oder was? Scheint mir was ,,orientalisches“ zu sein.
Negativ waren nur die beiden Kleinen. Sofort rufen wir den Familienkrisenrat zusammen. Wir hatten von zu Hause Selbsttests mitgebracht, die alle negativ ausgefallen waren, niemand fühlte sich krank, das konnte doch nur ein fataler Irrtum sein. Ein neuer Test! Jawohl, ein neuer Test, der ist dann negativ und ab nach Hause. Geht doch! Problem erkannt – Problem gebannt! Fast begeistert darüber, diese kleine Unwägbarkeit mit deutscher Gründlichkeit analysiert und gelöst zu haben, stellen wir der medizinischen Abteilung des Hotels unseren Lösungsansatz vor, verbunden mit der Bitte um einen weiteren Testtermin. Mit einem kleinen Expresszuschlag würde sich das bis zum Abflug noch ausgehen. Mein nette Ansprechpartnerin nahm meinen Wunsch wohlwollend zur Kenntnis, weist mich aber zeitgleich darauf hin, dass wir alle jetzt auf unseren Zimmern zu bleiben hätten und empfiehlt den Zimmerservice. Nach einer Weile klingelt wieder das Zimmertelefon. Eine sehr britisch klingende Dame stellt sich mir als Christie, Leiterin der medizinischen Abteilung vor.  

Die nächsten Schritte seien, so erläutert sie mir ebenso höflich wie bestimmt, dass die positiv getestete Patientin heute Nachmittag für zehn Tage in ein Quarantänehotel gebracht würde und die presumptive positiven Kandidaten nach 72h der Isolation wo auch immer, gern würde man prüfen, ob unsere Zimmer noch frei wären, einen erneuten Test machen könnten um damit dann, sollte dieser negativ sein, das Hotel verlassen zu dürfen.

Positiver Test ist in Dubai gleich 10 Tage Quarantäne

„Nein, nein!“, erklärte ich der netten Christie ebenso höflich und bestimmt. „Das ist alles ein großer Irrtum, wir machen gleich den Test und sind morgen weg. Danke für die Mühe!“
„Oh.“ antwortete Christie und ich höre ein wenig Resignation in ihrer Stimme. Diese Art der Kindergärtnerinnenresignation, wenn sie zum 120. Mal eine Selbstverständlichkeit à la  „Nein, du darfst nicht bei Regen ohne Jacke raus“ wiederholen.

„Wissen, Sie, in Dubai sind das die Regeln. Ein positiver Test bedeutet zehn Tage Quarantäne, jeder Test nach dem positiven Test und vor Ablauf der zehntägigen Quarantäne ist für die DHA, die Dubai Health Authority, irrelevant.“
„Aber wenn es doch ein Irrtum ist!“, jaule ich auf.
„Dann sind sie wenigstens nicht krank.“ beendete Christie das Gespräch. 

Kopfkino! Krank, daran hatte ich ja gar nicht gedacht und bekomme sofort Halsweh. Mein Kind, ganz allein in einem fiesen Hotelzimmer, drei Mal am Tag ein Tablett vor der Tür und dann eventuell auch noch krank! Nicht mit Mutti!

Presumtiv positiv

Unser Reisebüro beschäftigt einen Kriseninterventionsdienst vor Ort, in Persona Abdul. Abdul erklärt in fließendem Deutsch und mit arabischer Gelassenheit, wir sollen uns nicht beunruhigen, er würde jetzt jemanden für den neuen Test besorgen, mit dem würden wir dann morgen zum Flughafen fahren und alles wäre gut. „False positive“ gäbe es ständig und er hätte in den letzten Wochen schon drei solcher Fälle gehabt. Abdul erklärte auch endlich „presumtiv positiv“ – da sei der Virus zwar irgendwie nachweisbar, aber noch nicht genug also zum Beispiel, wenn die Erkrankung gerade beginnt oder abklingt. Aha.

Froh einen Verbündeten gefunden zu haben, bestellen wir beim Zimmerservice einen Snack und beginnen zu packen. Der Nachmittag schleicht vorbei, und uns kommt schon dieser eine Tag zusammengepfercht im Hotelzimmer ziemlich lange vor und es bleibt ungefähr 10 Stunden lang 16:00 Uhr. Ich habe 18 mal in Uno verloren, drei Mal gewonnen, die restlichen Partien unter ferner liefen. Es klopft.
Eine Sicherheitsbeamtin steht vor der Tür. Das Taxi sei jetzt da. Das Taxi? Na, das Taxi, das meine älteste Tochter in ein Quarantänehotel deportieren soll. Damit hatten wir jetzt nicht gerechnet.

Ich muss mein Kind retten

Wir erklären der Sicherheitsbeamtin mehr bestimmt als ruhig, dass keiner von uns jetzt oder später alleine in ein Hotel ginge und schließen die Tür. Das Telefon klingelt. Christie, nun schon strenger als am Vormittag klärt mich darüber auf, dass sie hier nur der verlängerte Arm der DHA, sei, ich mich aber auch gerne persönlich mit der Behörde auseinandersetzen könnte. Warum denn eigentlich nicht? Das drohende Quarantänehotel, die lauernde Sicherheitskraft, das wartende Taxi – ich muss jetzt mein Kind retten!  

Mr. Ali von der DHA erklärt mir ganz freundlich, dass positiv eben positiv sei und Quarantäne nach sich zöge gewährt aber einen Tag Aufschub in Hotelisolation, damit wir zu unserer eigenen Sicherheit und aus Sorge vor der Krankheit noch einen weiteren – privaten und für die DHA irrelevanten – Test durchführen können und ebenso gut auch alle gemeinsam in einem privat gewählten Quartier in Isolation gehen könnten. Ich jubiliere innerlich, die Sicherheitsbeamtin rückt ab und was das Taxi da unten macht, ist uns allen herzlich egal. Es wird Abend. Abdul, unser Krisenhelfer, hat eine Krankenschwester besorgt, die einen PCR Test mit uns durchführt, der dann in sechs Stunden, spätestens gegen Mitternacht die Ergebnisse liefern soll. Zum dritten Mal bemühen wir den Zimmerservice, keiner hat mehr Appetit. Keiner hat mehr Lust auf Uno.

Alle negativ

Gegen 23:00 kommen die Ergebnisse des zweiten PCR Tests auf unser Handy – alle negativ. Im kollektiven Jubel bedauern wir uns, dass der Urlaub nun doch nicht weitergeht. Wir packen die letzten Sachen zusammen, checken aus um die Abreise am nächsten morgen zu beschleunigen und bestellen ein Taxi für 6:00 Uhr.

Where are you going?

Die Koffer sind verladen, die Augen verquollen, die Laune grandios. Ah, da kommt sogar noch der Manager on-duty. Wahrscheinlich will er uns noch eine Flasche Wasser mitgeben, er freut sich sicher auch, dass er die Virenschleudern los hat.
„Checking out of room number 5462?“. Da fall ich nicht drauf rein, aber er gibt nicht auf. „Ma´am, where are you going?“ Mit einem strahlenden Lächeln präsentiere ich ihm unsere negativ Tests und verkünde, wir führen jetzt zum Flughafen. Ich kann ihm nicht den Vorwurf machen, er habe nicht jeden einzelnen Test gründlich studiert. Er reicht mir meine Unterlagen und während ich schon auf dem Absatz kehrt mache um das Fluchtfahrzeug zu besteigen höre ich ihn etwas murmeln, was Pessimisten als „Lassen Sie mich das noch einmal kurz mit der medizinischen Abteilung überprüfen.“ verstehen könnten. Aber ich bin kein Pessimistin, also steige ich in den beladenen Minivan. Der Manager reicht mir ungefragt das Telefon – Christie, die Klinikleiterin! „Um diese Uhrzeit, was hat die Arme für Schichten, das ist ja unmenschlich. Na, die wird eine Laune haben.“ schießt es unsinnigerweise durch meinen Kopf, während mich das Gefühl beschleicht, dass das Abenteuer gerade in die falsche Richtung abbiegt.

Wir haben die Schlacht verloren, auch wenn die Strategie perfekt war

In einem langen und emotionalen Vortrag, der von Flugzeugen, Ängsten, Enttäuschungen und falschen Testergebnissen handelt, überzeuge ich Christie davon, dass wir alle überhaupt nicht mehr ihr Problem sind. Wir sind ausgecheckt und freie Leute in einem freien Land! Das versteht sie. Aber sie findet auch den Fehler und stellt mich vor die Wahl eine nicht ganz so freie Person im Hotel zu sein oder Freiwild für die Health Authority. Gegen 8:00 sind wir mit unserem Gepäck zurück in Zimmer 5462. Eine kleine deprimierte Truppe, deren Strategie nicht aufgegangen ist, die ihre Schlacht verloren hat und die sich ein kleines bisschen schämt.

Teil 2: Quarantini im Bikini folgt in Kürze

Ihr liebäugelt auch mit Dubai? Das solltet ihr wissen

Weitere spannende Beiträge für euch