Auf eine Weltreise zu gehen, an verschiedenen Orten der Welt als Familie zu leben und zu arbeiten, war unser Traum – und er ist es noch immer. Dieser Text entsteht in einem Café in Chiang Mai, der größten Stadt Nordthailands, deren Hitze und Gewusel sich für mich mittlerweile viel vertrauter anfühlt als die verblassenden Erinnerungen, die ich an Deutschland habe. Mein Kind turnt währenddessen im Playland herum und spielt auf Thai und Englisch mit neuen Freund*innen.
Ab wann ist man zu alt fürs Auswandern?
Ich habe ja letzte Woche darüber geschrieben, wie viel unser Kind auf unserer Weltreise gelernt hat und dass viele der Sorgen, die wir uns im Vorfeld gemacht haben (und die von Freund*innen und Familie an uns herangetragen wurden) sich im Nachhinein als unbegründet erwiesen haben. Passend dazu habe vor einiger Zeit einen Podcast gehört. In dem Gespräch ging es unter anderem ums Auswandern. Es fiel der Satz: „Naja, gut, sowas geht mit Anfang 20 vielleicht. Danach möchte man bei der Familie sein, eine feste Arbeit, Kinder. Dann geht das alles nicht mehr.“ Das hat mich nachdenklich gemacht. Es klang wie eine generelle Absage ans Träumen, an Möglichkeiten. Geäußert von einer sehr sehr jungen Person.
Innere Glaubenssätze loslassen
Wir selbst sind meist unsere größten Kritiker*innen. Es fällt uns sehr sehr schwer, an die großen Träume zu glauben, die zwischen Schlafen und Wachen plötzlich in unseren Köpfen aufploppen, immer dann, wenn die inneren Wächter*innen gerade nicht so genau hinsehen. Das sind die unheimlichen, die leicht größenwahnsinnigen Ideen der „Wenn ich das Buch geschrieben habe, über das ich schon so lange nachdenke“ oder „Wenn ich mal ein Hausboot auf dem Mississippi habe“. Also letztlich immer noch bescheidene, erreichbare, mittelgroße Ideen. Die möglich wären. Aber unsere harte innere Stimme schiebt sie meist brüsk weg: „Du schreibst eh kein Buch. Und wenn, dann will es keine*r lesen.“ – „Wenn du ein Hausboot fährst, kenterst du als erstes im Sumpf.“ Und so weiter, und so fort.
Für Kinder sind Träume Realität
Kinder können das noch. Sie stellen mit absoluter Selbstverständlichkeit Berufs- und Lebenswünsche wie: „Ich will Astronaut*in werden und auf den Mars reisen“ neben: „Ich will Tier*ärztin werden“. Beide Lebensentwürfe erscheinen in ihren Augen gleich realistisch – und gleich aufregend. Wir sollten aufhören, uns gegenseitig darüber zu wundern, welchen in unseren Augen schrägen Lebensweg unser Gegenüber gewählt hat und versuchen, viel mehr diese kindliche Perspektive einzunehmen, die einen guten Traum mit ordentlich Enthusiasmus begrüßt – ganz egal, wie groß oder absurd dieser Traum am Ende sein mag.
Träumt groß für eure Kinder
Die Welt braucht große Gedanken und Träume. Sie braucht Menschen, die all das Vorhersehbare wegschieben und sich trauen, Dinge auszuprobieren. Wir alle brauchen Vorbilder, die davon erzählen, wie gruselig – und wie befreiend – es sich angefühlt hat, etwas zu tun, dass sich niemand außer ihnen getraut hat. Eine lange Reise ins Ungewisse mit einem Kleinkind zu beginnen wirkt auf mich im Nachhinein nicht nur wie die vernünftigste Entscheidung, die wir hätten treffen können – sondern auch nicht mehr besonders unheimlich. Dann aber höre ich Podcasts oder lese unsere Nachrichten auf Instagram und stelle fest, dass wir offensichtlich doch etwas gewagt haben, was sich für viele unheimlich und unvorstellbar anfühlt.
Eltern sind Vorbilder fürs Träumen
Das lässt mich kurz innehalten und nachdenken. Hier, in diesem überklimatisierten Café, den Mund voller Bubbletea. Wir versuchen, Vorbilder für unsere Tochter zu sein: Wir zeigen ihr, dass die Welt nicht so sein muss, wie sie ist, und dass sie alle die Energie, die sie hat, auch für Veränderung und für Neues einsetzen kann. Denn die eigentliche Frage ist und bleibt: Warum soll „das“, wovon wir träumen, nicht gehen? Wir hatten immer einen relativ unkaputtbaren Sinn von Hoffnung. Und leben unseren Traum.
Wie sich das Reisen und der Alltag in Südostasien anfühlt, darüber schreibt Olaf Bernstein bei Barrio, auf seinem Blog, bei Instagram oder bei Twitter .