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Unsere Tochter hat mit drei Jahren angefangen, Englisch zu sprechen. Das kam auch für uns überraschend. Irgendwann wurden wir von Muttersprachlern gefragt, ob unser Kind denn auch so gut Deutsch spräche wie Englisch. Da wir beide wissen, dass unsere Tochter recht fließend im Deutschen unterwegs ist, sagten wir vorsichtig: „Ja…?“ und warteten ab. Meist kam dann die beeindruckte Rückmeldung, Lola wäre schon seit gut einer halben Stunde mit ihnen ins Gespräch vertieft und wäre ja schon weit für ihr Alter. Da wir beide keine englischen Muttersprachlern sind, ließ uns diese Situation wieder einmal erstaunt zurück. Kinder haben dieses fantastisch formbare Gehirn, das wie ein Schwamm alles in der Welt aufsaugt. Je mehr Welt da ist, umso besser. 

Keine Sorgen, sondern Freiheit 

Wir sind auf unsere Weltreise aufgebrochen, als unsere Tochter knapp über ein Jahr alt war und sind im Grunde seitdem unterwegs und nicht mehr in Deutschland sesshaft. Häufig werden wir deshalb von anderen Eltern gefragt, ob das Reisen mit Baby und Kleinkind nicht in irgendeiner Form bedrohlich oder anstrengend ist. Die Sorgen reichen von Impfungen über lange Flüge bis hin zu dem Verlust von allem Vertrauten. Die entsprechenden Antworten unsererseits sind dann meist: Auch im Ausland gibt es gute Krankenhäuser; und die hiesigen Ärzte kennen sich mit den lokalen Krankheiten sehr viel besser aus als die Tropenmediziner in Deutschland (und sind deshalb meistens auch entspannter). Lange Flüge sind wie vieles eine Frage der Beschäftigung und der Routine. Die Faustregel ist: Wenn wir etwas zur Routine machen, wird es einfach. Unsere Tochter unterhält sich mittlerweile leger mit dem jeweiligen Flugzeug kurz vor dem Start. Nach beendeter Konversation schläft sie meist ein, bevor der Flieger richtig in der Luft ist. Was das Vertraute betrifft: Als ihre Eltern sind wir ihr sicherer Hafen und immer dabei. Ein persönliches Kuscheltier gibt ihr ebenso Geborgenheit wie das Wissen, dass wir überall gut unterkommen können. So haben wir ein ganz eigenes Level an Freiheit, das ohne Ortswechsel kaum möglich wäre.

Unsere Tochter hat schon viel gesehen 

Das Schönste am Reisen mit Kind ist jedoch nicht, dass wir als Familie all die Ängste und Sorgen widerlegen können, die wir vor unserem Aufbruch gehabt haben. Am meisten Freude machen uns die Fähigkeiten, die Lola praktisch nebenher aufgeschnappt hat. Schon vor ihrem zweiten Geburtstag hat unsere Tochter gelernt, sich mit einem lauten „No!“ und den entsprechenden Handbewegungen vor aufdringlichen Fotografen zu schützen. Sie weiß, wie indischer Verkehr funktioniert und dass bei Kühen Vorsicht geboten ist. 

Insgesamt hat unsere Tochter schon viel viel mehr gesehen, gefühlt und geschmeckt als andere Kinder in ihrem Alter – und zu unserer eigenen Überraschung hat sie das meiste behalten. Seit ihrem Besuch im Taj Mahal liebt sie Moscheen. Fahrten im Tuk Tuk sind für sie seit Vietnam das Größte. Sie genießt taiwanesische Bao genauso wie Chapati aus Rajasthan. Am verblüffendsten ist aber ihr gutes Gehör für Sprachen. In Indonesien wurden wir schon von Müttern gefragt, ob unserer Tochter Indonesisch spräche. Wir verneinten überrascht. Sie hatte einfach nur die Töne anderer Kinder gut imitiert.

Unser Kind hat Freunde auf der ganzen Welt  

Lola hat mittlerweile überall in der Welt Freunde und weiß, dass sie an jedem Ort Anschluss finden kann. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein enorm. Da ihr niemand sagt, sie wäre zu klein für dieses oder jenes, und sie ihre Zeit meist in altersgemischten Gruppen verbringt, lernt sie viel und schnell von anderen Kindern (und klettert mittlerweile höher in Bäume als ich mich das als Erwachsener trauen würde). Sie hat auf dieser langen Reise ein Gespür dafür bekommen, wie weit sie ihren Fähigkeiten trauen kann. Das alles sind wertvolle Gaben, die auf diesem Abenteuer zu ihr gefunden haben. Die wertvollste Gabe aber ist die Zeit, die wir als Familie zusammen haben und die wir uns bewusst nehmen. Wie wichtig uns das ist, mag vielleicht die wertvollste Erkenntnis dieser Reise sein – für uns alle.

Angefangen hat alles einem Flug nach Taiwan, mittlerweile erkundet Olaf Bernstein mit seiner Familie Thailand und schreibt über seine Erfahrungen bei Barrio, auf seinem Blog, bei Instagram oder bei Twitter .

Für alle, die es interessiert: Die Rangfolge lautet: Fußgänger < Fahrrad < Mofa < Auto < Bus < 1 Lastwagen < Kuh. Ich wage zu behaupten, dass in Indien selbst Panzer beim Straßen-Schnick Schnack-Schnuck gegen die Rinder verlieren.