Vater und Bildungsjournalist Birk Grüling zeigt in seinem Ratgeber, „Vereinbarkeit – so schwer kann das doch nicht sein! Das dachte ich jedenfalls, bevor ich Vater wurde.“ wie Vereinbarkeit zeitgemäß gestaltet und zur Zufriedenheit aller gelebt werden kann: mit Impulsen für neue Werte, Tipps von Experten und Erfahrungen von Paaren, die schon heute neue Wege gehen.
Birk Bürling im Interview
Was verstehst du unter einer aktiven Vaterschaft und warum ist diese so wichtig für die Partnerschaft?
Meine Definition wäre eine Elternschaft, in der Mutter und Vater sich die Care-Arbeit rundum das Kind möglichst gerecht teilen. Gründe dafür gibt es genug: Zum Beispiel will ich mein Kind aufwachsen sehen und präsent sein. Ich möchte nicht nur Nebendarsteller seiner Kindheit sein, sondern ein aktiver Teil, an guten und an schlechten Tagen. Und ich will im Alter nicht bereuen müssen, nicht dagewesen zu sein. Das ist erstmal ein „egoistischer“ Grund. Außerdem ist es gut für ein Kind mit zwei aktiven Elternteilen aufzuwachsen und einen präsenten Vater im Leben zu haben. Das ist auch hinlänglich durch Studien belegt. Und natürlich profitiert auch die Partnerschaft davon, wenn die Aufgaben, Verpflichtungen und der Mental Load gerecht verteilt sind. Das bedeutet nämlich auch, dass mehr Platz für sich selbst und die Partnerschaft bleibt.
Wie hat sich dein /euer Leben nach der Geburt des 1. Kindes verändert?
Natürlich verändert sich durch ein Kind alles. Plötzlich gibt es ein Kind, das die ganze Aufmerksamkeit fordert, Tag und Nacht. Das ist eine große Herausforderung für einen selbst und die Beziehung. Trotzdem würde ich keine Minute vermissen, Papazusein ist für mich eins der tollsten Dinge überhaupt. Langfristig verändert hat sich vielleicht meine Haltung zum Thema „Arbeit“. Ich arbeite heute deutlich weniger, oft aber fokussierter und stärker an Dingen, die für mich Sinn machen. Und natürlich habe ich auch viel über das Thema Vereinbarkeit nachgedacht. Früher haben wir auch schon sehr gleichberechtigt gelebt und nun tun wir es wieder – mit einem kleinen Umweg über die klassische Rollenverteilung.
Was ist dir als Vater besonders wichtig, um eine modere Vaterschaft in dein/euer Leben zu integrieren?
Ich brauche einen Job, der zu mir und meinem Leben passt und genug Geld abwirft, um meinen Anteil am Familieneinkommen zu leisten. Als Freiberufler bin ich im Moment da extrem privilegiert. Ich brauche Zeit für meine Partnerin und mein Kind – kurz für die Familie. Und am Ende wäre auch noch Platz für mich sehr gut. Natürlich sind auch Faktoren wie eine verlässliche und gute Kinderbetreuung oder gute Freizeitangebote ein hohes Gut. Aber im Prinzip sind diese Faktoren bei allen gleich: Zeit, familienfreundliche Arbeitgeber, gute Rahmenbedingungen in Sachen Kinderbetreuung und dann noch in der Familie eine Aufteilung, die genug Platz lässt.
Wie hat sich durch dein Einbringen und euren wertschätzenden Umgang als Eltern eure Beziehung verändert?
Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, dass wir sicher gewachsen sind an der Aufgabe „Elternsein“. Man bekommt nochmal mehr die Bestätigung dafür, dass man sich 100 Prozent aufeinander verlassen kann. Vielleicht tauschen wir uns auch noch stärker aus über Aufgaben oder Gefühlslagen, vielleicht ist es auch gut, dass die Aufgaben gerechter verteilt sind. Das nimmt auf jeden Fall Last von der Schulter eines Einzelnen. Trotzdem stehen wir wie alle Eltern oft vor schwierigen Phasen, mit Momenten, in denen man sich nicht so nahe fühlt, mit Momenten, in denen man sich überfordert fühlt.
Warum hat die Pandemie das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf nochmals als Dauerthema für Eltern in den Fokus gesetzt?
Hierfür gibt es mehrere Faktoren. Bei den meisten von uns ist der Familienalltag stark auf Kante genäht, dank Kita, Großeltern oder Freunde klappt alles eigenermaßen. Auch kleinere „Krisen“ wie Krankheit kriegen wir immer noch gewuppt. Nun war aber alles anders. Die Kinderbetreuung fiel weg und wir mussten plötzlich 150 Prozent statt nur 100 Prozent leisten. Und das hat uns stark an die Grenzen gebracht, gleichzeitig hat die Pandemie gezeigt, dass wir als „Familien“ in der politischen Priorität nicht auf den Spitzenplätzen landen. Es wird Millionen für die Wirtschaft ausgegeben, aber kein Corona-Elterngeld geschaffen oder Luftfilter in Klassenzimmern eingebaut. Diesen Schiefstand gab es schon länger, er fiel aber nicht so sehr auf. Doch es gibt auch Positives: In Sachen New Work und Flexibilität hat die Wirtschaft in der Pandemie enorm viel gelernt und davon profitiert auch die Vereinbarkeit – zum Beispiel durch mehr Möglichkeiten zum Homeoffice. Außerdem haben viele Unternehmen gemerkt, dass Vereinbarkeit für die Beschäftigten keine Privatsache ist, sondern sie sich auch dabei engagieren müssen. Auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Wie schaffen es Eltern wieder Vereinbarkeit und damit auch gegenseitigen Respekt und Wertschätzung in ihre Beziehung einziehen zu lassen?
Der wichtigste Schritt ist Kommunikation. Für mehr Vereinbarkeit und für mehr Wertschätzung müssen wir regelmäßig miteinander sprechen. Wir müssen uns darüber austauschen, welche Aufgaben anstehen und wie wir sie aufteilen wollen. Und wir müssen darüber sprechen, wie wir uns gerade fühlen, was uns belastet und ob die aktuelle Lebenssituation noch zu uns passt. Bleibt man in diesem Dialog, kommt der Respekt, das Verständnis und die gemeinsame Suche nach Lösungen von allein. Es macht dafür durchaus Sinn sich mal feste Termine zum wöchentlichen Gespräch zu suchen. Agenda: Aufgaben der Woche, aktuelle Gefühlslage.
Hast du praxiserprobte Tipps für den leichten Einstieg für uns?
Ein paar einfache Tipps: Von Anfang an Wissen für beide Eltern schaffen, so kann jeder alles übernehmen. Im Gespräch bleiben, über Gefühle sprechen und Belastung frühzeitig erkennen und angehen. Hilfe einfordern, gerne auch von Freunden und Verwandten und einen digitalen Familienkalender führen. Das hilft schon immens.
Was sind in deinen Augen beliebte Fehler, die nach der Geburt des ersten Kindes auftreten und sich im Laufe der Zeit verhärten?
Der häufigste Fehler kommt schon vorher. Wir sprechen einfach nicht genug darüber, wie wir uns Familie vorstellen und sprechen nicht darüber, wenn es nicht mehr so passt. Stattdessen reproduzieren wir die Familienmodelle unserer Elterngeneration. Und das zieht sich durch die gesamte Elternschaft, wir sprechen kaum über Sorgen, Bedürfnis und suchen zu selten nach Lösungen außerhalb der vorgegebenen Wege. Ein beliebter Fehler ist auch, keinen Ballast vom Familienleben abwerfen zu können. Es muss nicht täglich Bio gekocht werden, man muss nicht ständig mit den Kindern basteln, sondern darf auch mal den Fernseher laufen lassen, nicht jede Matschhose muss Fairtrade sein. Macht lieber das, was euch wirklich glücklich macht und guttut. Leichter gesagt als getan oder?