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Babysitting, Übernachtungsparty oder Ausflug bei mit den Großeltern: Plötzlich haben wir Eltern kinderfrei – und es fühlt sich überraschend leer an. Was fangen wir an mit der Zeit?

Was waren noch mal meine Hobbys?

Es beginnt mit dem gelobten Land nach 8 Uhr abends. Das Kind schläft, und es schläft aller Voraussicht nach durch. Mühsam sitze ich auf dem Sofa und versuche mich zu erinnern, was ich früher so gemacht habe nach 8 Uhr abends, vor Jahren. Mir fällt nicht mehr viel ein. Ich glaube, mich an Partys zu erinnern, Spieleabende oder auch Bücher. Ja, ich hatte mal Bücher, denke ich – und dann fällt mir auf, wie ich schon seit 20 Minuten erfolglos versuche, mir einen Lavendeltee zu machen. Aber lesen tue ich – also, wenn langsam durch den Facebook-Feed scrollen als Lesen zählt. 

Zeit zum Nachdenken

Das Elterndasein hat so seine Höhen und Tiefen. Manche kennt man, und andere erwischen einen eher unvorbereitet. Plötzlich wieder freie Zeit zu haben, ist Höhe- und Tiefpunkt gleichzeitig. Höhepunkt deshalb, weil sich Momente zum Nachdenken auftuen, die es vorher jahrelang einfach nicht gab. Tiefpunkt, weil wir plötzlich realisieren, wie anders unser Leben geworden ist. Fast, als wären wir eine andere Person, die wir selbst nicht mehr gut kennen. Auch wenn wir es geschafft haben, den Abwasch zu bändigen und unsere Arbeit in geordnete Bahnen zu lenken, heißt das noch lange nicht, dass uns auch etwas einfällt, worauf wir in unserer Freizeit Lust haben. Denn auf Kommando entspannt und kreativ sein gelingt nicht mal Mary Poppins. Damit aber der kinderfreie Abend nicht zum nervenzerfetzenden „Ich tue nichts Sinnvolles!“-Minuten-Countdown wird, habe ich hier ein paar Tipps für euch. 

5 Eltern-Tipps für kinderfreie Zeit

  1. Eine entspannende Routine etablieren. Das kann malen, gärtnern, Tagebuch schreiben oder auch einfach nur mit einem kalten Laventeltee aus dem Fenster starren sein. Wichtig ist, dass eure Gedanken dabei Raum bekommen und ihr bewusst euren Blick verändert. Weg vom Alltag, hin zu dem Moment des bei sich Seins. Am Ende habt ihr hoffentlich so etwas wie einen mentalen Schalter, den ihr umlegen könnt.
  2. Mit jemandem sprechen: Bei den Partner*innen schimpfen, wenn der Tag anstrengend war oder sich Rat und neue Ideen bei Freund*innen über Zoom holen, telefonieren oder einfach chatten: Wie genau ihr in Verbindung geht, ist ganz gleich, aber wenn ihr nicht genau wisst, was ihr machen sollt, helfen frische Gedanken sehr. Auch, weil euch euer Umfeld vermutlich klarer sieht als ihr selbst. 
  3. Nicht zu viel erwarten. Bevor jetzt ihr mit Begeisterung gleichzeitig Orgel lernt und Schlittschuhfahren übt: Es kann gut sein, dass euch eure ganze Freizeit schnell um die Ohren fliegt. Das Aquarellbild misslingt, ihr macht einen Spaziergang und kommt nicht zur Ruhe oder aber das Kind muss überraschend früher vom Übernachtungsbesuch abgeholt werden. Die neugewonnene Zeit ist ein Bonus, etwas, dass sich langsam entwickeln muss. Erst dann kann sie schön werden.
  4. Kein Leistungsdruck und Freizeitstress. Jeder, der ein Kind hat, weiß, dass plötzlich für alles viel weniger Zeit da ist. Deshalb sind wir Eltern in vielerlei Dingen so gnadenlos effizient. Aber das muss nicht für unsere Freizeit gelten. Wir dürfen schief singen, absolut keinen Fortschritt beim Spanisch lernen machen und getrost schlechte Filme schauen. Wichtig ist nur, was uns gut tut.
  5. Für Fortgeschrittene: Üben, Pläne zu machen. Wenn ihr einigermaßen regelmäßig kinderfrei und euch an die Umstellung gewöhnt habt, könnt ihr euch an größere Projekte wagen. Und damit meine ich nicht, endlich die Küche zu streichen. Nein, setzt euch zusammen mit eure*n Partner*innen oder Freund*innen und fangt an zu träumen: Was ist das nächste Ziel, was auf euch wartet? Welche Träume schlummern in euch? Mit wem kommuniziert ihr eigentlich gern – und warum? Was für Menschen, Dinge und Gewohnheiten gehören eigentlich schon lange nicht mehr in euer Leben?

Für mehr Realität auf Instagram

Am Ende eines verlängerten Wochenendes ohne Kinder oder einer durchgeschlafenen Nacht mit Platz im Familienbett fühle ich mich nicht, als wäre ich auf Kur gewesen. Ich bin vor allem dankbar dafür, dass sich mein Kind Stück für Stück in einen eigenständigen Menschen verwandelt, sich abnabelt und trotzdem die Sicherheit und Geborgenheit unseres Zuhauses schätzt. Ich freue mich über die Entwicklung, die stattfindet – im Leben meines Kindes und in meinem eigenen. Ich muss keinen überzogenen Erwartungen entsprechen, die ich in manchen Instagram-Storys sehe. Mein Leben – und meine Freizeit – müssen nur für mich funktionieren. Und jetzt entschuldigt mich, ich mache mir einen warmen Tee.

Olaf Bernstein schreibt für Barrio zu allen großen und kleinen Themen des Elternalltags. Weitere Gedanken findet ihr auf seinem Blog, bei Instagram oder bei Twitter.

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