Trauerbegleitung
Wenn ein Kind stirbt. Was passiert nach dieser Nachricht und wie kann den Angehörigen durch die erste Zeit geholfen werden?
Wir haben uns mit Hedwig Portner, Geschäftsführerin und Gesellschafterin von Ananke Bestattungen in Leipzig getroffen. Sie ist seit über 20 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann im Bestattungswesen tätig und ausgebildete Integrative Trauertherapeutin und systemische Beraterin. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie die ersten Tage und Wochen bewältigt werden können und hat uns über ihre Erfahrungen berichtet.
Die Schleusenzeit
Die Zeit zwischen dem Tod und der Beerdigung wird auch Schleusenzeit genannt. Geprägt hat diesen Begriff Ruthmarijke Smeding mit ihrem Buch „Trauer erschließen- Eine Tafel der Gezeiten“. Und dieses Wort umschreibt diese Zeit sehr gut. Die Schleusenzeit ist wahrscheinlich schlimmste, aber auch wichtigste Zeit der Trauer. Der Trauerbegleiter schleust die Hinterbliebenen durch diese erste Zeit, die zwischen 10 Tagen und mehrere Wochen betragen kann und versucht Halt und Hilfe zu geben und die Wünsche und Gefühle der Hinterbliebenen herauszufinden.
Das erste Gespräch
Nach dem Tod führt der Weg in ein Bestattungsinstitut. Die Trauerbegleiter werden in der nächsten Zeit an der Seite der Hinterbliebenen stehen und sie begleiten. Ja, mit fremden Menschen über diesen Verlust zu sprechen fühlt sich zunächst komisch an, aber die Mitarbeiter nehmen diese Angst auf sehr professionelle Art.
Im ersten Gespräch verschafft sie sich einen Überblick, wo die einzelnen Mitglieder der Familie stehen, auch in den Beziehungen untereinander, sagt Hedwig Portner.
Bei vielen Vätern ist zu beobachten, dass sie versuchen, ihre Frau, die Mutter, zu beschützen und aus den nächsten Schritten „rauszuhalten“. Manche Mütter kämpfen sich aus dieser Situation heraus, in dem sie sich ganz bewusst entscheiden, jedes Detail für den letzten Weg ihres Kindes zu gestalten. Andere Mütter haben dazu keine Kraft und lassen sich in diesen Schutz fallen. Auch Geschwisterkinder werden mit einbezogen, sowie sie es wollen.
Es werden zunächst Wege aufgezeigt, die gegangen werden können. In diesem Gespräch muss niemand entscheiden, wie bestattet oder die Trauerfeier gestaltet wird. Es ist beispielsweise möglich, dass die Eltern das verstorbene Kind noch einmal waschen und anziehen oder dabei sind, wenn dies vom Bestatter gemacht wird. Auch die Urne oder der Sarg kann individuell von der Familie und/oder den Freunden gestaltet werden. Und diese Zeremonie kann allen helfen, zu begreifen was passiert ist und ein Baustein im Prozess der Trauer sein.
Alles bekommt seine Zeit
In den folgenden Tagen und Wochen wird Schritt für Schritt entschieden, wie dieser Tag gestaltet wird. Hier gibt es Unterschiede zwischen religiös geprägten und konfessionslosen Bestattungen. Bei ersteren ist der Pfarrer oder Pastor eigebunden und wird die Trauerfeier maßgeblich mitgestalten.
Man sollte aber wissen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Die Rede muss nicht ein Trauerredner oder kirchlicher Vertreter schreiben. Wer die Kraft hat, kann diese auch selbst schreiben. Auch die Musik kann frei gewählt werden.
Wichtig für die Trauerfeier ist, dass die Familie entscheidet, wie dieser Tag aussehen soll. Dazu gehört auch die Entscheidung, wer dabei sein darf oder ob sie im engsten Kreis Abschied nehmen möchte. Trauer verläuft in Wellen und genauso können sich Wünsche und Entscheidungen zur Abschiednahme kurzfristig wieder ändern. Deswegen ist es wichtig, dass der Trauerbegleiter zeitweilig das Gespräch zu den Eltern sucht, um zu erfahren, ob und was sich geändert hat, damit er darauf reagieren kann.
Die Arbeit des Trauerbegleiters endet nicht mit der Beerdigung, sondern geht in der Regel noch einige Woche weiter. Es gibt Hinterbliebene, die dann ihren Weg finden, in die nächste Phase der Trauer zu gehen und sich in dieser Zeit zurechtfinden.
Aber es gibt auch Eltern und Geschwister, für die es sehr schwer ist, das alles allein zu bewältigen. Darüber hinaus kann die Hilfe eines Vereins in Anspruch genommen werden. An dieser Stelle sei der Verein „Wolfsträne“ oder „Verwaiste Eltern“ genannt. Dort finden die Hinterbliebenen, wenn sie das möchten, über Jahre hinaus Hilfe und Unterstützung. Über diese Vereine kann z.B. psychologische Betreuung organisiert werden. Vielen hilft auch, dass sie sich in einer Gemeinschaft zusammenfinden, die ihr Schicksal teilt.
Trauer braucht ihre Zeit, was kann ich als Freund in dieser Zeit tun?
Auf die trauernden Eltern zu gehen und versuchen, Hilfe anzubieten.
Aber: „Trauernde suchen sich ihre Menschen aus“ ist die Erfahrung von Hedwig Portner.
Was heißt das? Sie wählen danach aus, wie belastbar dieser Mensch ist oder umgekehrt gesehen, wieviel z.B. Mitgefühl sie als Trauernde vertragen können oder möchten. So kann es passieren, dass Trauernde den Kontakt und die Hilfe abblocken. Wie oft dann so eine Ablehnung auch vom Gegenüber verstanden wird, ist individuell verschieden und kann auch zum Ende von Freundschaften führen. In manchen Fällen leben diese Beziehungen nach Jahren wieder auf, manchmal auch nie mehr.
Aber wie kann ich als Freund helfen, wenn ich darf?
Praktische Hilfe unterstützt trauernde Eltern mehr als Gespräche. Den Einkauf oder die Wäsche machen, die Wohnung saubermachen oder den Berg an Post bearbeiten kann für viel mehr Entlastung sorgen, als wieder und wieder zu reden und in den Arm genommen zu werden. Die eine Universalempfehlung gibt es hier nicht. Einfach immer wieder probieren, die trauernden Eltern zu unterstützen und wenn sie signalisieren, dass sie es nicht möchten, dann muss das akzeptiert werden.
Das BARRIO-Team bedankt sich für das Gespräch mit Hedwig Portner und ihre Tipps und Einblicke zum Thema Trauerbegleitung.