Von Monsterzucchini, Duftfenchel, Kartoffelkäfern und Überraschungsblumenkohl
Ein Sonnenacker: Was ist das und warum? Persönliche Erfahrungen aus einer Saison mit einem Gemüsefeld in Krailling. Ausgangspunkt der Idee, ein Feld zu bewirtschaften war der – auch durch die Coronapandemie beflügelte – Wunsch nach einem kleinen Schrebergarten. Doch das ist ein absolut aussichtsloses Unterfangen in München.
Also wurde recherchiert: Ein Anbieter namens Ackerhelden. Interessantes Konzept, denn hier gibt es für unbedarfte Städter bestens vorbereitete kleine Bioäcker zum Pflegen und Ernten. Wir hatten kein Glück, denn in kürzester Zeit sind auch die dort angebotenen Flächen ausgebucht. Selbes bei den sogenannten Krautgärten. Fast drohte sich erster Gartenfrust noch ganz ohne Garten breitzumachen, da tauchte das schöne Wort Sonnenacker in den Suchergebnissen auf.
Das ist, so erfuhren wir, eines der beliebtesten Projekte des Netzwerkes Unser Land, das man zumindest im Süden aus dem Supermarkt kennt, gibt es doch Mehl, Gemüse und Obst unter dieser Marke. Das Netzwerk umfasst zehn Solidargemeinschaften, eine GmbH und über 300 Erzeugerbetriebe in und um München.
Die Solidargemeinschaften stellen gegen eine geringe Pacht Ackerflächen zwischen April und Oktober zur Verfügung. Wir melden uns direkt für ein Stück Acker in Krailling an. Mit der Anmeldung stellt sich eine spannende Frage: Ein Bifang oder ein halber? Bifang ist die altdeutsche Bezeichnung für ein eingefriedetes Feld, ein schmales Ackerbeet. Bei den Sonnenäckern ist so ein Bifang 100 Meter lang. Wir machen keine halben Sachen, melden uns direkt für einen ganzen Bifang an.
Und los geht das Abenteuer Acker!
Die Bestätigung mit einigen Hinweisen lässt nicht lang auf sich warten: So ein Sonnenacker ist ein waschechter Bioacker, also kein Einsatz von Düngern oder Schädlingsbekämpfungsmitteln, Topinambur wird nicht empfohlen, das wuchert, nur wenig Kartoffeln, sonst kommt der Kartoffelkäfer – und man solle auch im Hochsommer standhaft bleiben und nicht gießen. Hacken statt Gießen, lautet unser neues Mantra! Ende April soll es losgehen, dann habe der Bauer den Acker vorbreitet! Etwas aufgeregt sind wir dann schon. Als gute Projektmanager, die wir als urbane Erwachsene nun einfach sind, widmen wir uns der akribischen Vorbereitung: Sinnvolle Gartenutensilien recherchieren und besorgen.
Videos von Garten-Youtubern anschauen, Pflänzchen vorziehen und Samentütchen sortieren. Mit Hacke, Schaufel, bunten Steinen, Samen und Pflänzchen im Gepäck gehts am 1. Mai zum ersten Mal raus: Vier schön gleichmäßig aufgehäufelte Kartoffeldämme erwarteten uns, jeweils 25 Meter lang.
Erstes Vorhaben: Aufgehäufelte Dämme einebnen, von großen Steinen befreien und Beete anlegen. Abends auf dem Sofa spüren wir, so ein Bifang ist groß. Müde und mit etwas schmerzenden Rücken fühlen wir uns trotzdem stolz und zufrieden. Stolz angesichts dieser schönen, analogen Arbeit, wenn der Rest des Lebens schon 24/7 digital dominiert ist.
Und das ist es auch, was die ganze Saison über, den meisten Spaß am Ackern gebracht hat: Sich auf die braune, feuchte, krümelige Erde, die kleinen Samenkörner, das Unkraut zu konzentrieren, zu hacken, harken und zu zupfen. Sich über kleine grüne Blättchen, von Woche zu Woche wachsende Früchte und in die Erde zurückflüchtende Regenwürmer zu freuen.
Die ersten Wochen tat sich nicht viel, doch dann fing es an auf dem Acker zu sprießen. Bestens informiert, hatten wir berücksichtigt, dass sich Möhren gut mit Lauch und Zwiebeln verstehen, Knoblauch gut mit Erdbeeren und Radieschen schnell wachsende „Beetmarkierer“ sind, Schnecken Studentenblumen eklig finden, was sie zu einem Top-Nachbarn für Salat macht – klappt wirklich hervorragend.
Zwiebeln und Lauch kamen trotz Nachbarmöhren die gesamte Zeit nicht so recht in Fahrt und mit jeglichen Kohlsorten hatten wir einfach gar kein Glück. Recht bald konnten wir die ersten eigenen Radieschen essen – und ab Juni ging es Schlag auf Schlag, wir kamen mit Essen kaum hinterher: Spinat, Salat, Möhren, die ersten von sehr vielen, sehr großen Zucchini, Gurken, Erbsen, Bohnen, großartig duftender und schmeckender Fenchel, noch mehr Salat – und fast immer ein kleiner Strauß Feldblumen.
Irgendwann ab August übernahm die Natur das Zepter und es grünte überall. Gesätes Grün von einfach „anwesendem“ Grün zu unterscheiden, wurde schwieriger. Sonnenblumen wuchsen auf allen Sonnenäckern um die Wette in die Höhe. Überall summelt und brummelt es. Und natürlich war der Acker längst feste Konstante im Wochenende.
Wochenendausflüge mussten mit Bedacht geplant werden, denn jedes Wochenende ging es raus, egal bei welchem Wetter. Mindestens ein, zwei Stunden, um Unkraut und Schädlinge einzusammeln, zu hacken, pflanzen, nachzusäen. Und natürlich um stolz frische Möhren, Gurken, Salat und oft einiges mehr zu ernten und in der Familie, im Büro und unter Freunden zu verteilen. Denn ja, so ein Acker produziert eine Menge frisches Gemüse! Vieles gleichzeitig, vieles größer und deutlich schmackhafterer als wir es aus dem Supermarkt kennen. Fenchel war hier unser Vorzeigekandidat!
Nach einem Sommer als Gemüseselbstversorger, hieß es im Oktober Abschied nehmen vom Sonnenacker. Ein bisschen wehmütig sammeln wir unsere Markierungssteine, verpflanzen zwei Erdbeeren vom Acker auf den Balkon und ernten, was da noch so zu ernten ist.
Ganz unbeeindruckt vom Tun der letzten Wochen sind dann einfach noch diese drei Blumenkohl gewachsen und standen ganz zum Schluss wunderschön und überraschend auf dem Feld. Und nicht nur dieser versöhnliche Überraschungskohl hat uns schon beim Abschied vom Acker 2021 überzeugt, dass es für uns auch 2022 eine Sonnenackersaison geben soll. Eine zweite Saison mit weiteren Monsterzucchini, hoffentlich ganz viel Duftfenchel, vielleicht einem Durchbruch beim Kohlanbau und auf jeden Fall noch mehr Blumen auf dem Acker!
sonnenacker.de
Beiträge von Katrin Strauch