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Andrea Schirmaier-Huber ist Konditorenweltmeisterin. Wir hatten die Gelegenheit mit ihr über ihr Buch „Gesund und lecker backen“ und die Art, wie sie die Handwerkskunst verfeinert, zu sprechen:

Gesund backen assoziieren wir in der Regel mit langweiligem, trockenem Kuchen, der auf dem Kuchenbuffet am Ende noch steht. Ihre Kuchen passen da überhaupt nicht ins Bild.

Wie ist es Ihnen gelungen so unglaublich vielfältige, innovative, kreative Rezepte zu kreieren, bei denen das Auge mit isst?

Eigentlich ist es ganz einfach, vieles aus der Vergangenheit ist in die Rezepte eingeflossen, man hat ja früher schon mit Obst und Gemüse gebacken, aber man hat nicht so einen Hype daraus gemacht. In meinem Buch erscheinen viele sehr alte Rezepte, aber natürlich reise ich auch sehr viel und bin sehr interessiert an gesunden Lebensmitteln. Das alles ist in mein Buch mit eingeflossen. 

Was bedeutet für Sie gesundes Backen?

Ich verbinde mit gesundem Backen nicht vegan oder vegetarisch, sondern es beinhaltet für mich gesündere Zutaten zu verwenden, z.B. bei den Mehlen auf ein Vollkornmehl oder auf Dinkelmehl zurückzugreifen. Es gibt heutzutage die schönsten Mehlarten, die man verwenden kann. Auch beim Zucker, ohne den man in der Konditorei nicht auskommt, kann ich sagen, ich nehme mal Alternativen wie Muscovado Zucker oder Kokosblütenzucker oder ich verwende einen Reissirup. Ich reduziere generell die Menge, aber ich nehme einen Zucker, der mehr Geschmack hat. Unterschiedliche Zucker haben verschiedene Aromen. Ohne Zucker geht es nicht, denn ich muss ja Konsistenzen und Emulsionen aufschlagen. Aber es gibt schöne Alternativen oder ich kann auch mit Gemüse backen, wie mit Tomate oder mit Blumenkohl. Blumenkohl haben wir z.B. im Käsekuchen, er gibt eine unglaubliche Saftigkeit und ist dabei relativ geschmacksneutral. Hört sich vielleicht verrückt an, aber wenn man eine Tomate isst und gut kaut, stellt man fest, dass sie süß wird, genauso eine Karotte. Ein Blumenkohl ist sehr saftig, aber geschmacksneutral, man nimmt ihn heute sogar schon als Reisersatz her und zum Backen eignet er sich perfekt. 

Gibt es bestimmte Zutaten, die sich jede*r anschaffen sollte, der gesund backen möchte?

Auf alle Fälle ein schönes Vollkornmehl, das ist ganz wichtig, denn viele haben Unverträglichkeiten hinsichtlich Weizenmehls, heutzutage sogar schon Kinder. Ich würde auf jeden Fall als Standard einen Kokosblütenzucker empfehlen oder einen Getreidezucker immer zu Hause haben, man bekommt sie beide überall und kann sie ebenfalls überall gut einsetzen. Und ansonsten gerade bei Kindern, sage ich immer so schön „offen sein“. Ich gebe ja Kurse in meiner Academy, da erlebe ich oft, dass Eltern sagen „Das magst du eh nicht“ und das Kind weiß es nicht einmal. Wenn man als Elternteil keinen Blumenkohl mag, und das Kind noch nicht weiß, ob es ihn mag, sollte man über seinen Schatten springen und das Kind nicht einengen, sondern sagen, probiere, ob dir das schmeckt. Wir haben einen Rührkuchen mit Erbsen drin, der ist ganz grün, das macht das Thema für Kinder spannend. Es ist wichtig, die Kinder die Rohstoffe probieren zu lassen, zu erklären, was da drin ist. Das ist in meinen Augen die Grundzutat, wenn man Kinder zu Hause hat. Oder auch die Kinder mitmachen lassen, dann sieht die Küche vielleicht mal ein bisschen unordentlich aus, aber die Kinder werden das Backwerk zu 100 % essen, denn es ist etwas völlig anderes, als wenn sie selbst nicht mitgemacht haben. Es ist wichtig, die kindliche Neugier anzusprechen.

Ich habe vor ein paar Wochen mit 40 Kindern in einem Hort gebacken. Da haben die Kinder etwas gegessen, von dem die Betreuer sagten, dass sie das vorher noch nie gegessen haben. Es war sehr spannend, die Kinder an das Thema heranzuführen. Ich habe zum Beispiel als Kind wahnsinnig gerne Mehl angefasst, ich fasse es heute noch gerne an. Rohstoffe mal anfassen, auch wenn ein kleines Kind sich dabei mehlig macht, denn die Haptik und Sensorik sind extrem wichtig für die Entwicklung der Kinder und ein gutes Gefühl zu Lebensmitteln. 

Andrea Schirmaier-Huber

Warum sind Ihnen Regionalität, Qualität und bewusstes Auswählen der Zutaten so wichtig?

Ich bin sehr der regionale Typ, wir haben die besten Sachen direkt vor der Haustür. Heutzutage gibt es fast in jedem Ort eine Möglichkeit zum Einkauf vom Erzeuger, sei es Eier am Automaten ziehen oder der Einkauf im Hofladen. Es gibt viele Mühlen, von denen ich mein Mehl direkt beziehen kann. Ich bin kein großer Fan von Bio, weil die Produkte oft von weither kommen und eine lange Fracht hinter sich haben, dann steht dabei für mich Bio nicht wirklich im Vordergrund. Ich sage immer, was vor der Haustür wächst ist perfekt, wie Äpfel oder Karotten, alles je nach Saison. In Großstädten gibt es Bauernmärkte oder der Einkauf lässt sich auch mit einem Ausflug mit den Kindern aufs Land verbinden, damit sie auch sehen, wo der Rohstoff wächst bzw. wie er entsteht. Ich bin ein großer Fan von Regionalität, davon, Heimat zu unterstützen. Heimat ist für mich auch ein gewisser Geschmack. 

Für Kinder ist es ein Erlebnis, mal zu sehen, wie eine Kuh gemolken wird, wenn man solche Ausflüge am Wochenende einbauen kann, ist das schön für die ganze Familie und für das Bewusstsein, um mit unseren Lebensmitteln umzugehen.

Ansonsten hat auch in vielen Supermärkten ein Umdenken hin zur Regionalität stattgefunden, sodass das Angebot entsprechend gut ist und wir umdenken können, um die regionalen Hersteller zu fördern. Es wäre schön, wenn dies zur Normalität wird. Als Folge könnte der Bauer oder der Gemüseerzeuger aus der Region, der somit einen besseren Umsatz macht, auch auf Bio umstellen, denn Umstellung auf Bio ist sehr teuer und muss sich rentieren.

Haben sich Ihre Kreationen verändert, seitdem Sie Mutter sind?

Meine Kinder sind jetzt 9 und 11 Jahre alt. Ich bin in einer Konditorenfamilie aufgewachsen, da waren normales Haushaltsmehl und Zucker in 300 kg Größen völlig normal für mich. Wenn man selbst Mutter geworden ist, dann will man das Beste machen und denkt um, ich habe z.B. 405er Weizenmehl durch Dinkelmehl ersetzt. Da es mir dann auch sehr gut geschmeckt hat, bin ich immer mehr dazu übergegangen, Rezepte zu verändern. Man kann Rezepte, die z.B. wie bei uns schon seit 4 Generationen bestehen, wie der Karottenkuchen in meinem Buch, so verändern, dass er zeitgemäß ist. Ich habe mich mit den Rezepten auseinandergesetzt und Süße oder Fett herausgenommen. Bei meinem Großvater konnte die Prinzregententorte gar nicht fett genug sein, das war damals gut und vor dem Hintergrund der Zeit richtig, ist aber heute nicht mehr zeitgemäß. So habe ich angefangen, diese Rezepte zu verändern, oder mit Zucker zu spielen, der mich interessiert hat, ich habe z.B. Ahornzucker ausprobiert. Heute haben wir ein viel größeres Angebot an Alternativen als noch vor 10 Jahren. 

Haben Sie einen Tipp, den Sie unseren Familien mit auf den Weg geben würden?

Einfach mal mit dem Lieblingsfamilienrezept starten und schauen, wie man das ein bisschen gesünder machen kann, z.B. normales Weizenmehl durch Dinkelmehl 630 ersetzen, oder vielleicht mal einen anderen Zucker nehmen. Ich finde Traditionen, wie einen Kuchen, den die Mutti oder die Omi immer backt, sind für Kinder sehr wichtig, hier sich einfach mal trauen und Rohstoffe tauschen und ihn gesünder machen, das führe ich in meinem Buch auch auf. Probieren, was schmeckt mir/uns besser. Ich bin nicht der Typ, der mit erhobenem Zeigefinger kommt und sagt, „du musst jetzt aber“, das möchte ich auf keinen Fall, sondern mein Ziel ist es, Wege aufzuzeigen, wie man etwas ändern kann. Ich möchte inspirieren, spielerisch sich heranzutrauen Rezepte zu verändern, Rohstoffe zu tauschen und eine gewisse Leichtigkeit beim Ausprobieren zu entwickeln.

Das Schlimmste, was dabei passieren kann, ist dass etwas nicht gelingt, dann kann man immer noch Cake-Pops daraus machen. Aber das wird nicht oft vorkommen, sondern die meisten Menschen stellen fest, dass es total simpel ist auszutauschen, das ist auch in meinen Kursen bei den Leuten so. 

Oft kommt es auch vor, dass man sein Lieblingsmehl dabei entdeckt, das normale 405er rauswirft und durch sein neues Lieblingsmehl ersetzt. Tauschen bietet die Chance, seine persönlichen Lieblinge zu entdecken. Menschen die Unverträglichkeiten haben, werden sogar feststellen, dass sie sich durch das Austauschen der Rohstoffe besser fühlen werden.

Das BARRIO-Team bedankt sich für das tolle Interview bei Andrea Schirmaier-Huber.

Hier kommt ihr zur Buchrezension von „Gesund und lecker backen„.