…wenn wir mal richtig Mist gebaut haben
Josephine Bernstein spricht aus ihrer Erfahrung als Mutter darüber, wie wir uns bei unseren Kindern entschuldigen können.
Auch Eltern sollten sich entschuldigen
Meine Tochter liebt Klorollen. Genau genommen hat sie eine richtige Obsession mit Toilettenpapier und die abgewickelten Haufen verstopfen bei uns im Haus regelmäßig Abflüsse und Türschlösser (fragt nicht). Ich halte nichts von autoritärer Erziehung, Strafen und Verboten. Ich denke eher über meine Verantwortung als Mutter nach und sorge dafür, dass das Toilettenpapier bei uns sorgsam weggeräumt ist. Neulich hat mein Kind sich allerdings eine frische Rolle aus irgendeinem elterlichen Geheimversteck gemopst und damit das halbe Schlafzimmer dekoriert. Und ich? Vergaß alle Ansätze zur gewaltfreien Kommunikation und motzte drauf los. Den O-Ton erspare ich euch, aber schön wars nicht. Möglicherweise gab es viele Anschuldigungen und Verallgemeinerungen, möglicherweise war ich richtig unfair.
Fehler passieren
Wir sind nicht perfekt. Wir sind fehlbar. Fehler passieren. Das ist ok, das ist normal. Entscheidend ist nämlich nicht, dass wir fehlerfrei durch Lebens gehen, sondern wie wir mit unseren Fehlern umgehen. Die erste Reaktion, die vielen von uns natürlich scheint, ist Scham. Schließlich werden in klassischer Erziehung und Schule Fehler bestraft. Wir haben gelernt: Wer Fehler macht, ist schlecht. Und genau hier können und sollten wir ansetzen. Tatsächlich sind nämlich Fehler Teil des Lebens. Wer Fehler macht, ist weder besser noch schlechter als alle anderen. Wer Fehler macht, lernt.
Was also bei einer ehrlichen Entschuldigung hilft, ist ein wertfreier Blick auf Fehler. Ich sage zum Beispiel: „Oah, da hab ich jetzt aber nicht gut reagiert. Das mache ich nächstes Mal anders.“ Indem wir unsere Fehler annehmen und benennen, geben wir der Wahrnehmung unseres Kindes Raum. Wenn meine Tochter sauer, traurig oder beleidigt ist, darf sie das. Die Situation war blöd. Das zu betrauern ist normal.
Gefühlen Raum geben
Ich frage also mein Kind, was sie fühlt, was sie braucht, was sie sich wünscht. Ganz oft löst diese Frage alleine schon ganz viele Spannungen zwischen uns. Wenn sie merkt, dass ich wirklich ehrlich an ihrem Innenleben interessiert bin, fühlt sie sich gesehen. Und der Streit von vorhin, der uns vielleicht ein bisschen entzweit hat, rückt in weite Ferne.
Manchmal ist die Enttäuschung und Wut meines Kindes allerdings größer und braucht einfach ein bisschen Zeit. Ich als Mutter versuche dann, diese Gefühle sein zu lassen. Ich nehme sie ernst und höre zu. Dabei geht es nicht darum, dass ich mich erkläre oder rechtfertige. Es ist eigentlich total egal, wieso ich blöd reagiert habe und es ist auch nicht die Verantwortung meiner Tochter, mir zu verzeihen. Was ich jetzt tun kann, ist bedingungslos für sie da sein. Nicht mehr und nicht weniger.
Verbindung ist alles
Ultimativ verletzt ein Streit zwischen Elternteil und Kind die Integrität meiner Tochter. Und er schwächt unsere Verbindung. Wenn ich dafür sorgen will, dass meine Entschuldigung wirklich ankommt, muss ich eigentlich genau das Gegenteil von dem tun, was die meisten gelernt haben: Ich bitte nicht mein Kind um EntSCHULDigung, sondern ich stehe zu meinem Fehler. Und ich stehe zu meinem Kind.
Ich schaue, was sie gerade braucht und wie ich ihr vermitteln kann, dass sie gut, richtig und wichtig ist. Bei einer Entschuldigung geht es meiner Meinung nach nicht darum, die Schuld loszuwerden. Es geht darum, dass die Schuldfrage irrelevant wird, weil die Beziehung zwischen mir und meiner Tochter sich jenseits von Schuldzuweisungen bewegt. Es geht um uns. Um unsere Liebe und um die Gefühle meiner Tochter.
Alles wieder gut?
Wenn ich nun aber keine Floskel à la „Entschuldigung mit Händeschütteln“ suche: woher weiß ich dann, ob und wann die Wogen wieder geglättet sind? Ganz einfach: Ich schaue auf mein Kind. Auf ihr Gesicht, ihre Stimmung, ihr Verhalten zu mir.
Ist sie gelöst und fröhlich, kann ich davon ausgehen, dass wieder alles paletti ist. Wenn sie ungewöhnlich ruhig (oder laut) ist, macht es Sinn, noch einmal nachzufragen. Schließlich kann nur mein Kind selbst entscheiden, ob meine Entschuldigung bei ihr angekommen ist.
Josephine Bernstein schreibt für Barrio unter anderem über bedürfnisorientierte Elternschaft. Weitere Denkanstöße findet ihr auf ihrem Blog, bei Instagram oder bei Twitter.