Teile diesen Beitrag  

Mit Kindern über Geschlechtsidentitäten sprechen

Geschlechtsidentitäten sind fluider und vielfältiger, als die meisten von uns vermuten. Es gibt nicht nur Männer und Frauen. Es gibt nicht nur Cis-Personen (Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wird). Und das ist im ersten Moment ganz schön verwirrend. Die allermeisten von uns haben etwas anderes gelernt. Medien, Erzählungen und Erwartungshaltungen stellen meist nur zwei Geschlechter dar. Und das ist ein Problem.

Warum ist es wichtig, über nicht-binäre Menschen zu sprechen?

Wir Eltern sind dafür da, die Welt für unsere Kinder einzuordnen. Und zwar nicht die Welt, auf die wir hoffen, nicht die Welt, die wir für richtig halten, sondern die Welt, mit der unsere Kinder konfrontiert sind. Nicht-binäre Menschen existieren. Wer weiß, vielleicht sind sogar unsere Kinder nicht-binär. Erst, wenn wir offen und klar über das Thema sprechen, können wir unseren Kindern helfen, Geschlechtsidentitäten und die Menschen um uns herum zu verstehen. Und wir können vermitteln: „Egal, wie du bist. Du bist ok.“

Nicht-binär was bedeutet das eigentlich?

Um mit unseren Kindern über das Thema zu sprechen, müssen wir erst einmal selbst verstehen, worum es geht. Was genau ist mit „nicht-binär“ gemeint? Nicht-binär ist ein Regenschirmbegriff, der verschiedene Geschlechtsidentitäten umfasst. Im Grunde sind hier alle Menschen gemeint, die sich nicht in das binäre System von Mann/Frau einordnen. Das sind Menschen, die weder Mann noch Frau sind. Menschen, die beides sind. Menschen, die genderfluid sind, also in ihrer Geschlechtsidentität wechseln. Viele, aber nicht alle nicht-binären Menschen ordnen sich als trans ein. All das ist valide und Teil unserer Lebenswelt. Die Frage ist nun, wie wir mit unseren Kindern darüber sprechen können.

Was ich in Worte kleide, existiert

Erst, wenn wir die Dinge für unsere Kinder benennen, werden sie für sie greifbar. Wenn wir also verschweigen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, verbergen wir einen Teil der Gesellschaft vor unseren Kindern. Ganz besonders, weil nicht-binäre Menschen häufig diskriminiert werden, sind sie oft im Alltag unsichtbar – aus Selbstschutz. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir nicht-binäre Menschen für unsere Kinder sichtbar machen und selbst Offenheit vorleben.

Menschen sind verschieden

Das Schöne am Leben mit Kindern ist, dass sie so vieles einfach selbstverständlich annehmen. Wenn wir also über nicht-binäre Menschen sprechen wie über alle anderen auch, werden sie als Teil unserer Gesellschaft selbstverständlich angenommen. (Schließlich sage ich ja auch „Die Frau da hinten“ oder „Mein Mann“.)

Wir können mit unsern Kindern über Pronomen sprechen. Wir können erklären, dass es nicht nur „er“ oder „sie“ gibt, sondern noch ganz viele andere Fürwörter. Wir können erklären, dass man Menschen ihr Geschlecht nicht unbedingt ansieht und dass es kein typisches Aussehen für Männer und Frauen, für Jungs und Mädchen gibt. Genauso wenig sehen alle nicht-binären Menschen ähnlich aus. Geschlechtsidentität ist etwas, das im Inneren ist. Es ist so etwas wie unser Wesen. Die Art, wie wir uns mit anderen fühlen. Die Gruppe, zu der wir gehören. Das kann man nicht von außen sehen und nicht wissen, wenn man nicht fragt.

Der schöne Nebeneffekt ist, dass unsere Kinder gleich lernen, dass Junge oder Mädchen sein sie nicht limitiert. Das Geschlecht sagt nichts darüber aus, womit Kinder gern spielen, welche Farben sie mögen oder wie sie ihre Haare tragen. Und das gilt eben auch für Erwachsene.

Über Diskriminierung sprechen

So schön eine heile Welt klingt, in der jede*r sie*er selbst sein kann, so düster ist leider manchmal die Wahrheit. Menschen, die nicht der Norm entsprechen, werden diskriminiert. Sie müssen sich ständig erklären, werden nicht ernst genommen und hinterfragt. Wenn wir mit unseren Kindern über nicht-binäre Menschen sprechen, gehört diese Tatsache leider auch mit zum Gespräch.

Neben klaren Worten dürfen wir hier auch Hoffnung machen. Denn je mehr Menschen über die vielen verschiedenen Geschlechtsidentitäten aufgeklärt sind, desto selbstverständlicher können alle Menschen sie selbst sein. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass wir mit unseren Kindern über nicht-binäre Menschen sprechen.

Hier findet ihr eine Reihe Kinder- und Jugendbücher, in denen trans und nicht-binäre Menschen vorkommen oder in denen diese Identitäten eine tragende Rolle spielen. 

Josephine Bernstein schreibt für Barrio unter anderem über bedürfnisorientierte Elternschaft. Weitere Denkanstöße findet ihr auf ihrem Blog, bei Instagram oder bei Twitter.