Der alltägliche Horror – das Chaos im Kinderzimmer! Was kommt, was geht, was bleibt? Und wenn es bleibt, wo bleint es dann? Unser Autor Olaf Bernstein hat sich der Sache angenommen.
Es gibt einige universelle Erfahrungen, die alle Eltern vereinen. Unangefochten aufs Treppchen gehört der LEGO-Stein, der sich um halb eins in der Nacht heimtückisch in die Fußsohle bohrt, während man doch eigentlich nur ein Glas Wasser aus der Spüle trinken wollte. Dieser stechende Schmerz, dieses Gefühl des Betrugs und der Überraschung – wäre der LEGO-Stein ein Disney-Bösewicht, es gäbe ein ganzes Franchise über ihn. Oder zumindest einen Tatort in Deutschland.
Warum aber diese Gedanken? Wenn man vor Schmerz durch die nächtliche Küche hopst und sich die Hand auf den Mund drückt, mag das nicht so offensichtlich sein. Am nächsten Morgen aber schon: Unsere Kinder haben so viel Spielzeug, dass es eine allgemeingültige Erfahrung von Eltern ist, draufzutreten. Das wiederum bedeutet, dass übermäßig viel Spielzeug einfach rumliegt.
Chaos im Kopf
Überforderung bedeutet Chaos – allerdings nicht so, wie viele jetzt denken. Wenn unsere Kids überquellende Schränke und Regale haben, werden sie weniger mit ihren Spielsachen spielen. Klingt erstmal unglaubwürdig? Wie oft haben wir schon den alten Labberpulli angezogen – nicht, weil wir ihn lieben, sondern weil wir alle anderen Pullis einfach nicht mehr aus dem vollgestopften Kleiderfach bekommen? Wenn wir als Erwachsene schon an so einer einfachen Aufgabe wie Anziehen scheitern, ist es kein Wunder, wenn unsere Kinder die Lust auf ihr Spielzeug verlieren und es einfach liegen bleibt. Aussortieren ist nicht leicht, es braucht einen Plan dafür – bei Groß und Klein.
Was hilft gegen Chaos im Kinderzimmer?
- Eine Übersicht herstellen. Was wird bespielt, was liegt nur rum? Was ist kaputt und kann weg, wo lohnt sich eine Reparatur?
- Zuerst die großen, leicht aufzuräumenden Dinge in Angriff nehmen. Sie haben den größten Effekt, das Wegräumen geht am schnellsten und motiviert so.
- Alles, was noch benutzbar ist, aber nicht bespielt wird, kommt in eine undurchsichtige Box und wird beiseite geräumt. Werden die Sachen auch nach einem halben Jahr nicht vermisst, können sie entsorgt, verschenkt oder gespendet werden.
- Jedes übriggebliebene Ding bekommt einen fürs Kind leicht zugänglichen Platz, idealerweise nach Kategorien geordnet (Ponys, Bauklötze, Puppen etc.). Dabei bleiben die einzelnen Kategorien so klein, dass es leicht bleibt, damit zu spielen (also nicht 500 Autos, sondern 15 in einer Box).
- Je nach Alter des Kindes kann der Nachwuchs beim kompletten Aufräumen mithelfen oder auch nur Teilbereiche übernehmen (die Spielzeugautos sortieren oder ganz wichtige Kuscheltiere einräumen).
Spielzeug ausmisten – Wie kann ich das Kind dazu bringen, aufzuräumen?
Wenn das Kind ungern aufräumt, bringt es nichts, ihm allabendlich Vorwürfe zu machen. Die Frage ist: Warum möchte ich so gern, dass das Kind aufräumt? Habe ich selbst ein Thema mit Ordnung, dass ich nur übertrage? Wenn ja, dann wird mir auch ein entrümpeltes Kinderzimmer nicht lange Freude machen. Vielmehr sollte dann die Frage sein, ob es einen leichteren Weg gibt, das Spielzeug abends wegzuräumen. Denn wenn einen das Chaos im Kinderzimmer und in den Gemeinschaftsräumen stresst, kann es keine gute Lösung sein, einfach aufzugeben und alles liegenzulassen. Stattdessen muss eine fixe Lösung her: Ein großer Korb, in den einfach alle wild herumfliegenden Dinge eingesammelt werden und der im Kinderzimmer verschwindet, wäre eine. Anstelle sich zu streiten, lässt sich so schnell Raum und Ruhe schaffen. Was das Kind dann mit den Sachen im Zimmer macht, ist seine eigene Verantwortung.
Loslassen lernen
Wenn wir selbst schauen, warum wir so dringend Ordnung brauchen, finden wir einen Weg, loszulassen. Wir können kleine, private Bereiche nach unserem Geschmack aufräumen. Wir können uns mit Meditation und mentalen Übungen daran gewöhnen, dass nicht immer alles perfekt sein muss. Denn letztlich bringen wir unseren Kindern mit einem Ordnungszwang nicht bei, mit Freude Dinge zu pflegen und aufzuräumen. Der effektivste Weg, mit dem LEGO-Stein im Fuß umzugehen, ist, ihn entspannt beiseitezulegen. Denn viel anstrengender als das Chaos im Zimmer ist das Chaos im Kopf.
Olaf Bernstein schreibt für Barrio zu allen großen und kleinen Themen des Elternalltags. Weitere Gedanken findet ihr auf seinem Blog, bei Instagram oder bei Twitter.